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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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diese fürchterliche Unsterblichkeit beschert hatte.
    Ich vermute, wenn die Fremde nicht zu uns gekommen wäre, hätten wir kein weiteres Jahr zusammen überdauert.
     
    Der Aschling stieg eilig in den Brunnen hinab, indem er sich an einem verknoteten Seil festklammerte und mit Füßen und Knien gegen die gezackten Felskanten schrammte.
    Als die junge Frau den Boden des Brunnens berührte – während Ewen und ich aneinander gedrängt am Rande der feuchten Steinkante lagen – spürte ich die Last des Tages, die mich niederdrückte, und kämpfte gegen den Schlaf der Toten an, der nach mir rief.
    Ewen lag bereits ganz schlaff da. Seine Augen waren geschlossen, seine Haut glänzte wie die eines Toten.
    Meine Sehkraft ließ nach, wie es stets der Fall war, wenn auf der Welt über uns die Dämmerung einsetzte. Ich spürte den
Sog des narkotischen Schlafes an meiner Kehle, an meinem Handgelenk, an meinem Hinterkopf.
    Sie stand mitten im Brunnen und blickte uns beide neugierig an.
    »Warum... warum seid Ihr hergekommen?«, fragte ich. Meine Stimme klang weich und schwach.
    Die Frau trat einen Schritt zurück und schnappte nach Luft, als hätte sie erwartet, ich befände mich bereits im Todesschlaf der Dämmerung.
    Überall um die Sterbliche herum war der Gestank nach frischem Blut so stark!
    »Habt keine Angst«, sagte ich.
    Sie tat einen Schritt nach vom.
    Es folgte ein weiterer Schritt.
    Schließlich kniete sie sich neben mich, indem sie mich fast berührte. Ihre Hände strichen über mein Gesicht, als wollte sie es vermessen. Jedoch spürte ich nicht eine einzige Berührung.
    »Warum seid Ihr hergekommen?«, fragte ich. »Wer seid Ihr?« Meine Stimme bestand nur noch aus einem Krächzen, die Müdigkeit des Tages überkam mich. Ich war nicht länger in der Lage, gegen den Schlaf anzukämpfen – er trug mich wie eine Droge in seine traumlos schwarze Kammer.
    Während mich die Sterbliche noch immer beobachtete, übermannte mich die Dunkelheit. Als mein Geist blitzartig vom Schlaf überwältigt wurde, hatte ich die Empfindung, Finger berührten mein Gesicht.
     
    Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, war die Nacht zurückgekehrt. Der Eindringling hatte zwei große Schafsblasen
zurückgelassen, die mit einer dunklen Substanz gefüllt waren.
    Blut. Menschliches Blut.
    Das hatten wir seit Jahren nicht gekostet. Ich hatte schon angenommen, dass wir dazu nie wieder in der Lage sein würden.
    »Vielleicht wollen sie uns vergiften«, meinte ich.
    »Gift oder nicht, ich habe es gerochen, sobald die Sonne unterging.« Ewen beugte sich nach vom und ging neben einer der prall gefüllten Blasen in die Hocke. Er roch daran, was mich an einen Hund erinnerte, der an einem Knochen schnüffelt. Dann blickte er wieder mich an. »Ich werde es probieren.«
    Er zog an der Blase und ließ Blut in seinen Mund laufen. Dann nahm er einige große Schlucke, und sein ausgetrocknetes weißes Fleisch schien ein wenig fülliger zu werden, die blauen Adern begannen rasch zu verblassen, während er seinen Durst stillte. Innerhalb eines Augenblickes sah ich, wie seine Jugend zurückkehrte. Er blickte grinsend zu mir herüber, und seine langen Eckzähne verlängerten sich, wie sie es zu tun pflegten, wenn er Nektar von den Sterblichen trank. Seine grünen Augen nahmen einen strahlenden Glanz an, und das, was wie Blutergüsse auf seinem Fleisch ausgesehen hatte, färbte sich nun rosa und rot unter der Haut. Die klauenartigen Fingernägel fielen von ihm ab, als wären sie eine Wucherung, die durch Gift abgetötet wurde.
    »Es ist gut!«, schrie er lachend. »Es ist gut!«
    Uns war soeben ein Schatz ausgehändigt worden, und dennoch war ich mir sicher, dass diese rote Kostbarkeit mit einer Falle verbunden war. Ich kroch zu dem Blut hin und hob die zweite Blase hoch.

    Mit dem Fingernagel ritzte ich den Rand der Blase an, und ein Tropfen des Blutes fiel auf meine Handfläche. Ich roch daran, es erinnerte mich an das frische Blut eines soeben getöteten Opfers.
    Da probierte ich es.
    Zu beschreiben, was ich dabei empfand, wäre dasselbe, als würde ich beschreiben, was ein Sterbender empfindet, wenn ihm die köstlichste Erfrischung zur Wiederbelebung gereicht wird – als würde ich einen Opiumsüchtigen beschreiben, wenn er vom Mohnsaft kostet.
    Ich fühlte mich wie neu geboren, nur durch diesen einen Tropfen.
    Ewen beobachtete mich, sein jungenhaftes Grinsen wurde breiter, der Ausdruck seiner Augen leuchtender. »Es ist kein Gift«, sagte er. »Kein

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