Die kalte Koenigin
stürzten sich auf mich, brachten mich zu Boden und nagten an meinem Arm, damit ich mein Schwert fallen ließe. Ich knurrte sie an und schnappte nach ihren Hälsen, Gesichtern und Armen, als sie mich überwältigten. Es schien mir, als kämpfte ich gegen Wildkatzen, deren Krallen meine Haut aufkratzten, sich tief hineingruben und mich zerfetzten.
Ich sah, was geschehen war, auch wenn ich nicht verstand, wie dies möglich war.
Ich kannte das Gesicht der Mom, die meine Brust mit ihrem Gewicht nach unten drückte und ihre Fangzähne entblößte, die viel länger waren als meine: Ihre Lippen schienen um die Zähne herum abgerissen zu sein.
Ihre Augen waren weiß, als wäre sie blind. Sie roch an meinem Gesicht, während der zähflüssige Speichel aus ihrem Mund auf mich tropfte.
Nichts war mehr von der Sinnlichkeit oder Schönheit der Vampyrin übrig, die ich einst gekannt hatte.
»Yset«, keuchte ich auf.
Zuletzt hatte ich sie im fernen Hedammu gesehen, als ich mich von Kiya und anderen verabschiedet hatte. Nun war ihr halber Kopf rasiert. Narben erstreckten sich über ihre Kopfhaut und Stirn, als wären Bohrer und Sägen in ihren Schädel eingedrungen. Ich sah, wie ihr Blut in dem Hals pulsierte. Ihre Adern dort waren verdreht, wie die Wurzeln eines Baumes, die durch Felsen von ihrem Platz verdrängt wurden, so dass er nun einwärts gebogen weiterwächst.
Als Reaktion darauf, dass sie ihren Namen gehört hatte, ließ sie jenen Sirenenschrei ertönen, den ich am Himmel gehört hatte. Sie war zu einer stummen Kreatur geworden, einem Ungeheuer, einer Sklavin der Myrrydanai. Diese anderen um uns herum, die Ewen zu Boden gedrückt hielten, waren ebenfalls versklavt.
Yset beugte sich herab und fuhr mit der Zunge über mein Gesicht, als wollte sie das Salz ablecken. Ihr strähniges weißes Haar streifte meine Wange. Es roch nach verrottetem Fleisch. Ihre Zunge war rau, ihr Atem ranzig. Der Gestank von eitrigen Wunden umgab mich. Waren diese Kreaturen noch Unsterbliche? Denn sie schienen eher allmählich verwesende Leichname zu sein als Vampyre. Welcher Peiniger hatte ihnen dies angetan? Welche Zauberei hatte ihnen die Haut abgeschält, um solches darunter zu enthüllen?
Die anderen Moms, die sich an meinen Armen und Schenkeln befanden, begannen ebenfalls an mir zu lecken, als wäre mein Schweiß ganz nach ihrem Geschmack. Wellen des Ekels und Zoms überrollten mich.
Gleichgültig jedoch, wie sehr ich mich auch wehrte, sie besaßen mehr Kraft und kratzten mich mit ihren Krallen, als sie mich auf dem Boden festhielten. Wo waren die Priester der
Kamr und der Nahhashim, wenn ihre Kinder sie brauchten? Wo waren unsere Beschützer?
Die Wachen kehrten zurück und befestigten eine Halsfessel, die aus Silber und Bronze bestand, an meinem Hals. Dünne Silberhandschellen wurden mir um die Handgelenke gelegt, und auch meine Knöchel erhielten Fesseln aus dem gleichen Metall.
Dann kamen die Knaben mit den Netzen zu uns. Sie zitterten vor Angst, da die Moms sie beobachteten, als sie sich näherten. Die Wächter riefen ihnen barsch Befehle zu, dass sie die Netze über uns werfen und uns dort festhalten sollten. Die Moms wichen vor den Netzen zurück. Als von einem fernen Turm erneut ein Signalhorn erklang, erhoben sie sich von meinem Körper und dem Ewens und flogen in einem Schwarm in Richtung Westen. Die Netze, die aus dicker Schnur gefertigt und in die Silbermünzen hineingeflochten waren, wurden wie Leichentücher um uns gewickelt. Obwohl ich dagegen ankämpfte, bezwangen die Schwingungen des Metalls jeden Kampfgeist in mir.
Während sich das Zwielicht allmählich in die Abenddämmerung verwandelte und der Himmel über uns einen dunkelvioletten Farbton annahm, hörten wir weiteren Lärm und das Geräusch von Hufschlägen auf der Straße. Einige der Soldaten flüsterten etwas von einer Dame. Als ich nach oben gezogen wurde, erblickte ich in der Ferne Alienora. Die Männer riefen: »Herrin Enora kommt!«
Sie stand auf einem Wagen, der den altrömischen Streitwagen glich, und hatte keinen Wagenlenker, sondern führte den Wagen selbst. Auf jeder Seite befanden sich Bogenschützinnen,
deren Armbrüste gespannt und auf ihr Ziel ausgerichtet waren. Dieser seltsame Wagen wurde von zwei weißen Pferden gezogen und auf allen Seiten von Wachen flankiert, die ihre Schwerter und Äxte erhoben hatten, als erwarteten sie einen Angriff. Alienora war für diese Leute nicht mehr nur eine Baronin, sondern zu einer Art Göttin oder
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