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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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in meinen Augen gelesen, und roch an mir, um irgendeinen Geruch aufzunehmen. Auch ich roch an ihm, nahm aber keine Sterblichkeit wahr, auch wenn er nicht zu meinem Stamm gehörte. Ich empfand keinen Hunger nach seinem Blut, den ich doch bei einem sterblichen Mann empfunden hätte.
    Seine behandschuhten Hände untersuchten meine Arme und Schultern, als wollte er mich nach Brüchen und Schmerzempfindlichkeit
abtasten. Er fuhr mit seinen Händen an meinen Rippen entlang nach unten und erfühlte so die nicht verheilten Wunden. Als er seine Finger dort hineinpresste, spürte ich keinen Schmerz. Dann drückte er auf meinen Magen und meine Brust, als wollte er sicherstellen, dass aus meinen Lungen Luft strömte. Dann kehrte er zu seiner Untersuchung meines Gesichtes zurück. Durch die visierartigen Schlitze erblickte ich durchdringende Augen, die wie Kugeln aus Schwärze aussahen und von einem himmelblauen Rand umgeben waren. Selbst unterhalb der Maske wurde sein Gesicht von einem gazeähnlichen Stoff bedeckt. So konnte ich unter dem Helm nicht mehr als seine Augen und die Wölbung seiner Lippen erkennen: als wäre sein gesamter Körper unter der Rüstung mit einem großen Verband umwickelt.
    Er nickte mir zu, als würde er meine Wachsamkeit anerkennen. »Kämpfe nicht, kleiner Falke«, wisperte er. »Dein Blut ist durch die Sang-Fleur zu dickflüssig geworden, Bluttrinker. Wurde dir dies nicht mitgeteilt? Ein Biss in eine Blume mag dein Blut vielleicht kräftigen, aber eine solche Menge – diese Wölfin und ihre Schwestern nutzten die gesamte Ernte, um sie herzustellen. Der Wolfsanteil in ihnen ist zu groß, glaube ich.«
    Indem ich ihn beobachtete, wuchs meine Neugierde. Ich bemerkte die arabische Schrift im Halsbereich des Helmes und fragte mich, ob er ihn wohl je absetzte – oder ob das Leben für ihn ein Kriegsgebiet war und seine Rüstung eine Vorbereitung auf einen unaufhörlichen Kampf.
    Nun versuchte ich zu sprechen. Als ich aber meine Lippen bewegte, berührte er sie leicht mit den Fingern. »Pst, kleiner Falke«, flüsterte er. »Schone deine Kräfte. Du hast zu viel Blut verloren. Schweige – und ruhe dich aus. Warte eine kleine Weile,
bis wir hier fertig sind. Hab keine Angst vor mir, mein Junge. Ich bin hier, um mich um dich zu kümmern. Ich bin hier, damit du wieder kämpfen kannst. Vor vielen Jahren wollte ich dich aus dem Brunnen heraufholen, habe mich aber zurückgehalten. In Alkemara habe ich dich dann zusammen mit deinen Kameradinnen und Kameraden beobachtet. Ich habe dich schon vor vielen Jahren gesehen. Ich weiß, wer du bist. Und vielleicht kennst du auch mich?«
    Und ich kannte ihn tatsächlich. Ich hatte seine Anwesenheit in Alkemara gespürt. Merod hatte von ihm gesprochen.
    »Zeige mir dein Gesicht«, keuchte ich, indem ich nach Luft rang.
    »Es würde dir nicht gefallen«, entgegnete er.
    »Zeig mir dein Gesicht, Artephius«, sagte ich.
    Artephius. Alchimist. Architekt des Umgekehrten und Verborgenen Reiches Alkemara. Architekt der Vernichtung der Stadt des Priesters des Blutes. Verführer der Pythia, Dieb der Geheimnisse der unsterblichen Welt. Der Mann, der zahlreiche Leben gelebt hatte und dessen einziges Ziel es gewesen war, Gott und Mensch zu vernichten.
    Selbst in meinem betäubten Zustand wünschte ich mir noch, ihn mit meinen bloßen Händen zu zerreißen.
    Ich spürte ein Grauen, das in seiner Präsenz verborgen lag, und gleichzeitig spürte ich auch eine schreckliche Liebe zu der Welt in ihm.
    Er nickte als Antwort auf meinen Wunsch. »Wenn du bereit bist, mein Gesicht zu sehen, dann werde ich es dir zeigen. Nur dir allein, kleiner Falke«, antwortete er. Er näherte sich meinem Gesicht mit seinem Visier und starrte mich an, als würde er in meinen Augen nach etwas suchen.

    Ich erkannte die gleichen Gazestreifen, die er auch an seinen Händen trug, und ebenso über seinen Augen. Diese brannten, und rotes Blut pulsierte hinter ihrer Schwärze.
    »Du bist so wunderschön«, flüsterte er, als er meine Züge studierte, an meiner Haut roch und mit seinen Fingern meine Lippen teilte, um nach meinen Zähnen und meinem Zahnfleisch zu tasten. »Deine Zähne sind scharf und vollkommen. Du trägst den Atem der Pythia in dir. Ich kann sie an dir riechen. Ich kann... deine Blutlinie riechen.«

7
    Als ich mich in der Gruft des Priesters des Blutes befunden hatte, war es mir ein Bedürfnis gewesen, jene Frau zu sehen, die ich einst als Alienora gekannt hatte. Und so hatte ich das Gift der

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