Die kalte Koenigin
war; seine Hände waren nach mir ausgestreckt; seine blutroten Augen waren halb geschlossen, als ob auch er durch die starke Wirksamkeit der Blume betäubt war .
In seinen Händen sah ich etwas, das mir zunächst wie ein menschliches Gesicht erschien, eine Maske aus Haut.
Seine Lippen bewegten sich, doch ich konnte nichts hören außer der Stimme der Wolfsfrau auf der anderen Seite des Risses im Schleier. »Du bist der Weg, Maz-Sherah. Zerreiße den Schleier, damit sie hindurchgehen können.«
Ich hatte das Gefühl, gezogen und dann hochgehoben zu werden, doch mein Geist hatte begonnen, in die Dunkelheit zu trudeln. Als ich erwachte, blickte ich durch den Nebel zu dem Mann auf, der über mir stand.
War es überhaupt ein Mann? Er schien mehr eine Maschine als ein Mensch zu sein. Sein Helm glänzte im flackernden Kerzenlicht. Auf ihm erblickte ich das Gesicht eines Basilisken, des bastardartigen Nachkommen von Schlange und Vogel. Dieser wirkte allerdings durch sein wildes Aussehen beinahe wie ein Greif. Auf dem Visier war eine Inschrift aus kleinen Schriftzeichen, von einer okkulten Herkunft eingeätzt, die arabisch zu sein schienen; bei der Stelle, durch die er sehen mochte, handelte es sich um die Öffnung in Form eines Schlitzes, die zu schmal war, als dass ein Finger hindurchgepasst hätte. Wo er wohl durch seine Nasenlöcher einatmete, befand sich eine leicht erhöhte Krümmung aus Metall; und
wo es wahrscheinlich einen Mund gab, da war ein dünner Spalt. Es kam mir eher so vor, als sähe ich, wie sich ein bestatteter König in den Gewändern eines prachtvollen Hügelgrabes erhob, als dass ich einen Mann sah, der sich darin verbarg.
Einen Mann in solchem Gewand zu sehen, hätte nicht das in mir ausgelöst, was ich nun fühlte. Eine schreckliche Angst erfüllte mich, als er mich ansah, so als ob es sich bei ihm um irgendein fremdes Wesen handelte – weder Mensch noch Vampyr, weder Gott noch Ungeheuer. Vielleicht lag es an der Droge aus dem Saft der Blume – vielleicht hatte sie mich in einem solchen Maße geschwächt, dass ich, ein Menschenschlächter, der Maz-Sherah meines Stammes, großes Entsetzen beim Anblick dieses Mannes empfand, der in seinem Metall wie eine lebende Statue wirkte, oder, noch schlimmer, wie ein Silberkokon, der um eine schreckliche Leere gewickelt war.
Die Luft um ihn herum war dicht, als ruhte seine Präsenz schwer darauf, eine undurchdringliche Aura. Zu sagen, dass man Furcht empfindet, reicht nicht aus. Wenn man ein Vampyr ist und das Blut von Sterblichen zu trinken vermag, reicht die Ehrfurcht des Schreckens nicht aus. Als ich mich in seiner Gegenwart befand, hatte ich das Gefühl, es handelte sich bei ihm um irgendeine fremde Kreatur, die auf die Erde gefallen wäre, und der Glanz seines Metalls ließ ihn als Verbindung von Geist und Maschine erscheinen. Er stank nach einer Unsterblichkeit, die ich nicht begreifen konnte. Doch trotz der Furcht, die ich empfand – und des Ekels vor ihm, denn ich erinnerte mich gut an das Schicksal, das er über Merod Al-Kamr und Alkemara gebracht hatte -, besaß er ein warmes, ganz lebendiges und dabei schreckliches Charisma. Da begriff ich, warum sich Pythia ihm hingegeben und ihren Vater, ihre
Schwestern und das Reich der Vampyre verraten hatte. Ich begriff auch, wie er zahlreiche Vampyre zu ihrer eigenen Vernichtung locken konnte – er wirkte hypnotisch, wenngleich ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Er besaß eine geheime Ausstrahlung, die unter der Bronze und dem Silber verborgen lag.
Ich war von ihm gefesselt.
Ich spürte seine Macht, selbst noch durch die Gazehandschuhe an seinen Händen hindurch, als er meinen Hals berührte, als ob er nach einem Lebenszeichen suchte. Es wirkte so, als kröche eine Spinne über meinen Adamsapfel, leicht wie eine Feder unter meinem Kinn, wie kurz vor einem Biss. Hatte er an den Plagen gelitten? Das fragte ich mich, da die Verhüllung der Hände unter den Kranken weit verbreitet war. Konnte ein Unsterblicher ebenso leiden wie ein Sterblicher, aber ohne Heilung?
Silber war mit der Bronze kombiniert worden, und da der Helm seinen Hals verdeckte, entstand der Effekt eines goldenen Feuers an seinem Kragen und seinen Schultern. Auf seinen Schultern waren die Krallen eines Adlers als Halterung für den Helm befestigt. Er trug eine rote Seidenrobe, die von den Sarazenen mitgebracht worden sein musste, da ich kein anderes Volk kannte, das über so feines Tuch verfügte.
Er näherte sich mir, als hätte er
Weitere Kostenlose Bücher