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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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Schlange verwendet, um in einen anderen Bewusstseinszustand überzutreten und so mit Hilfe des zweiten Gesichtes durch das Glas in den Nebel des Schleiers selbst zu blicken. Doch es war genau diese Handlung, die den Riss im Schleier erst verursachte, durch den die Wesen überhaupt erschienen – jene wispernden Schatten, die mit Plagen im Gepäck herkamen, um nach mir zu suchen, nach dem zu suchen, was ich am meisten liebte, um der jungen Frau, die ich geliebt und verloren hatte, Unmenschlichkeit einzuhauchen. Aber der Schleier war noch weiter eingerissen. Noch mehr Myrrydanai waren hergekommen, und als ich zum Schloss des Barons in meinem Heimatland zurückgekehrt war, war es zu spät gewesen – Alienora hatte sich selbst mit Leib und Seele den Schatten hingegeben.

    Der bedeutende Stab der Macht, der Stab der Nahhashim, war mir vor meiner Gefangennahme gestohlen worden.
    Das Schicksal bringt uns zu unseren Scheidewegen. Dieser war der meinige. Damals wusste ich nicht, wie der Schleier zu flicken war oder wie Medhya, die Mutter der Dunkelheit, uns mit ihren Bluthunden, den Schatten, finden würde.
    Eines aber wusste ich: Artephius, der Alchimist, der Architekt, der Unsterbliche, er war zu einem großen Teil an dessen Erschaffung beteiligt gewesen. Wenn ich an diejenigen dachte, die ich liebte, verspürte ich das Bedürfnis, nach oben zu greifen und ihm die Kehle aufzuschlitzen.
    Doch ich hatte den Schleier erneut durchschritten; ich war durch die Droge aus dem Saft der Blume dorthin gesandt worden, die meinen Blutstrom verseuchte. Es handelte sich dabei nicht um die geringe Menge, die ich Ewen zuliebe zu mir genommen hatte, so dass wir in dem Brunnen voneinander trinken und dadurch überleben konnten. Nein, diese Menge war so groß, dass ich mich fühlte, als ob ich auf der Stelle sterben müsste, während ich zu dem Unsterblichen hinaufblickte, der schon so vieles vernichtet hatte.
     
    In den Jahren meiner Gefangenschaft unter der Erde hatte ich an ihn gedacht. Ich wusste, dass er sich in meiner Nähe befand, da Merods Stimme ihn in Visionen erwähnte. Artephius. Artefeo. Al-Togheri. Dies alles waren Namen für diesen Mann, der die Ozeane der Welt durchkreuzt, ihre Wüsten durchquert, ihre großen Städte und verlassenen Orte durchstreift hatte. Er war vielleicht tausend Jahre alt, so alt wie Pythia selbst.
    Er wurde »Alchimist« genannt, da er sich mit der Unsterblichkeit und wertvollen Metallen befasste. Mit seiner genialen
Schöpferkraft konstruierte er Geräte der Folter und der Wissenschaft. Ich fürchtete ihn mehr als irgendein anderes Wesen auf der Welt, sogar mehr, als ich die Dunkle Madonna fürchtete, die mir mit Freuden das Fleisch von den Knochen reißen und das Mark aus den Knochen saugen würde.
    Es überraschte mich, dass er mir nicht auf der Stelle den Kopf abtrennte, denn wenn ich wahrhaftig der Maz-Sherah war, so würde mich Artephius wohl mehr als jeden anderen ausgelöscht sehen wollen.
    »Diese Chymer hätte ihn beinahe vernichtet«, sagte der Alchimist und warf einen Seitenblick nach rechts. Dann erteilte er unsichtbaren Bediensteten in barschem Ton Befehle. »Sie gieren nach ihren Schattenpriestern – du, hol das Tuch. Dort drüben, in der Schüssel.« Er brüllte einige Worte in einer fremden Sprache. In meinem berauschten Zustand konnte ich nicht klar genug denken, um ihre Bedeutung zu verstehen, doch es klang, als hätte kein Sterblicher jemals diese Sprache gesprochen.
    Er legte mir ein kühles, feuchtes Tuch auf die Stirn und wischte mir den Schweiß ab. »Du hast viele Stunden geschlafen«, sagte er zu mir. Seine liebevolle Fürsorge erfüllte mich mit Abscheu. Er ging mit mir um, als wäre ich ein hilfloses Kind, das vor ihm aufgebahrt lag. Als würde er mir etwas Schreckliches antun, nachdem er mich sanft und freundlich behandelt hatte. »Deine Haut ist trocken. Du benötigst Blut.«
    Daraufhin sah ich zu, wie er ein kleines, gebogenes Messer zog. Es glitzerte im Kerzenschein. Rasch ließ er es durch die Flamme einer der aufgehängten Kerzen gleiten. Dann rief er nach dem Diener, der in seiner Nähe stand und einen Krug hielt. Der Bedienstete trat näher.

    Bei ihm handelte es sich um einen Mann von etwa zwanzig Jahren, der ein geöffnetes braunes Hemd trug. »Jean«, sagte der Alchimist zu ihm, »du darfst nicht so entsetzt dreinblicken. Du wirst daran nicht sterben. Verstehst du?« Ich bemerkte, dass Jeans Haar so geschnitten war, wie die Jäger das ihre oftmals trugen – so

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