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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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Kristallgrab gelegen hatte. Sie enthielt ein wenig Quecksilber in einer Glasröhre. Die Röhre verfügte an ihrer Seite über winzige Widerhaken, bei denen es sich um kaum mehr als leichte Erhebungen des Glases handelte. Doch sie waren dazu gedacht, sich im Fleisch und im Herz zu verhaken und an Ort und Stelle zu bleiben, um den Vampyr dazu zu bringen, still zu verharren, unfähig zum Kampf. Das Ende der Röhre bestand aus einer Klinge, die aber zu schmal war, als dass sie von einem Sterblichen hätte gefertigt sein können. Sie wirkte wie eine Nadel, jedoch von einer Art, wie es jenes Zeitalter noch nie gesehen hatte. In der
Röhre und der Nadel befand sich gerade genügend Quecksilber, dass mein Herzschlag verlangsamt werden konnte, bis das Herz fast völlig aufhörte zu schlagen.
    »Warum tust du das?«, fragte ich mit einer Stimme, die fast zu leise war, um vernommen zu werden.
    Er beugte sich nah an mein Ohr und flüsterte mir zu: »Es gibt ein noch größeres Schlachtfeld als diejenigen, auf denen die Schlachten stattfinden, in denen du kämpfst, kleiner Falke. Du bist wichtig für mich, doch ich kämpfe gegen jemand anderen, der sich im Westen erhebt, um mir zu begegnen. Merod Al-Kamr weilt noch immer in deinem Inneren. In deinem Blut, in deinem Fleisch – so wie er sich einst in einem Grab aus Kristall unter dem Tempel der Lemesharra befunden hat. Du siehst ihn dort, wenn dich das Gift der Schlange aus der Sang-Fleur durch den Schleier drängt. Du zerreißt den Schleier selbst, mit jedem Atemzug, den du tust.«
    Mit jeder Faser meines Seins knurrte ich und schnappte nach seinem Visier. Dabei stellte ich mir vor, ich könnte es durchtrennen, wie ein Hund einen Knochen zernagt, um an das Mark zu gelangen. Ich versuchte mich zu erheben, da ich das Visier zurückklappen wollte, um zumindest das Gesicht jenes Mannes zu sehen, der die Unsterblichkeit gestohlen und Alkemara zerstört hatte. Es gelang mir, mich auf dem Tisch aufzurichten, und mit meinen Händen griff ich nach seinem Helm. Ich flüsterte: »Zeige dich mir, Alchimist.«
    Er presste die Kugel nach unten gegen meine Brust und brachte sie auf eine Art und Weise in die richtige Lage, die mir zeigte, dass er zahlreiche Operationen durchgeführt hatte und die genaue Stelle kannte, an der das Herz lag.
    »Akzeptiere dein Schicksal«, sagte er. »Einst warst du sterblich,
Falkner. Aber nun bist du – was geworden? Ein Messias der Verdammten? Ist es das, wovon du als Knabe träumtest, als du in der armseligen Hütte auf den Feldern aufwuchsest? Ist es das, was du dir wünschtest, als du die Falken des Barons abrichtetest oder... mit seiner Tochter schliefst? Du brauchst keine Hoffnung mehr. Für diese Welt bist du ein Dämon. Das Zeitalter der Menschen gelangt an sein Ende. Das Zeitalter des Schleiers steht uns bevor. Deine Kinder werden unter den Schatten der Medhya aufwachsen. Die uralten Zaubereien wachsen in Enora selbst. Ihr Fleisch wird Medhyas Geist tragen. Das Blut der Sterblichen wird erneut fließen, wie im letzten großen Zeitalter der dunklen Mutter. Du und deine Stämme, ihr werdet aussterben, werdet ausgelöscht, und wenn nichts als Asche von dir übrig ist, wirst du wissen, dass das Ende des sterblichen Lebens schließlich angebrochen ist.«
    Ich verspürte ein brennendes Gefühl, das sich, von der Kugel und ihrer Klinge ausgehend, in blitzartigen schmerzhaften Stichen entlang meiner Brust und meinen Armen ausbreitete.
     
    Am Tage wurde ich in einen Sarg in einer Grabstätte eingeschlossen, der von anderen solchen Särgen umgeben war. Für zwei weitere Nächte wurde ich wieder herausgeholt und in Ketten gelegt: Die Kugel wurde mir aus dem Herzen entfernt, als man mich in den Käfig warf. Eine neue Nacht des Spiels begann.
    In meinen Gedanken kamen an erster Stelle meine Kinder. In meinen Visionen hatte mir die maskierte Göttin von ihrem Schicksal erzählt.
    Und Artephius wusste in seinem Wahnsinn von ihnen.
    Waren es Zwillinge? Hatte Alienora in jener Nacht mehr als
ein Kind zur Welt gebracht, in jener Vision, als ich sie inmitten der Klausnerinnen gesehen hatte?
    Enora. Einst meine Geliebte. Meine Feindin. Mein Ende.
    Zwillingskinder, die noch am Leben waren.
    Meine Kinder.
    Als Sterbliche geboren, als Kinder der Liebe.
    Dem Ende der Zeiten geboren.
    Eines aus Feuer und eines aus Blut, eines, das den Schleier zerreißt, und eines, das ihn flickt.
    Diese Gedanken gaben mir eine sonderbare und schreckliche Hoffnung, da ich zurückkehrte, um

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