Die kalte Koenigin
in die Kehle goss.
Während der Nacht beobachtete ich Artephius bei der Durchführung einer Operation, als handelte es sich bei ihm um einen erfahrenen Wundarzt. Mehrere Barbiere standen um ihn herum und nahmen seine Befehle entgegen. In diesen ging es darum, wo meine Knöchel und die Stellen unter den Armen eingeschnitten werden sollten, um das Blut abfließen zu lassen. Die ganze Zeit über sprach er mit mir, obwohl ich während all dieser Stunden nicht ausnahmslos bei klarem Bewusstsein blieb. »Wir müssen das vergiftete Blut aus deinem Leib entfernen und durch dies hier ersetzen.« Er wedelte mit der Hand in Richtung der Bediensteten, als ob
er Fliegen erschlagen wollte. »Mehr Blut, Marie. Ja, fülle die Schüssel.«
Eine weitere Bedienstete – eine junge Frau, die ein Tuch um ihr Haar geschlungen hatte – brachte eine große, hölzerne Schüssel herbei. »Du musst davon trinken. Es ist frisch und noch nicht dickflüssig. Während du trinkst, werden wir einen weiteren Leib zur Ader lassen. Verstehst du?«
Ich nickte. Aus einiger Entfernung vernahm ich das Stöhnen eines Jünglings und wusste, dass eine weitere Schüssel für diese Transfusion mit Blut gefüllt wurde.
Er wies einen unsichtbaren Bediensteten an, meinen Kopf anzuheben, und die junge Frau setzte mir die Schüssel an die Lippen. Zu meinen Füßen machten sich Barbiere daran, meinem Knöchel und meiner Wade Schnitte beizubringen, um mich ausbluten zu lassen.
»Trink es in einem Zug aus«, sagte Artephius zu mir. »Wir müssen so schnell sein, wie dein Blut abfließt.« Er wandte sich an die drei Wundärzte, die hinter ihm standen und sich um meine Beine kümmerten. »Er ist nicht so wie ihr. Die Heilkunde, welche ihr bei anderen anwendet, wird bei diesem Wesen nicht funktionieren. Stecht die Lanzette tief hinein und haltet sie an Ort und Stelle fest. Die Wunden des Dämons werden rasch heilen, so dass ihr die Ader möglicherweise erneut öffnen müsst, und zwar jedes Mal, wenn sie sich wieder schließt. Seid ihr Wundärzte oder Blutegel? So müsst ihr es machen.« Ich fühlte, wie etwas tief in meine Wade hineingestochen wurde, als er dies aussprach, und verspürte dann ein unangenehmes Gefühl, als er die Lanzette vor- und zurückzog.
Die Schmerzen, durch die Rasierklingen verursacht, ließen nach, während mein Fleisch immer wieder eingeschnitten
wurde – diesen Wundärzten machte es nichts aus, mich ein wenig grob zu behandeln. Ich bin mir sicher, dass sie sich fragten, worin überhaupt die Notwendigkeit bestand, einen Dämon am Leben zu halten.
Weitere Schüsseln wurden gebracht, und weitere Schnitte wurden mir zugefügt. Ich spürte den Blutverlust selbst dann noch, als ich weiteres Blut trank, frisch von jungen Sklaven oder Bediensteten stammend, die in meiner Nähe angezapft wurden.
Meine letzte Erinnerung an diese Nacht bestand darin, dass nach dem Leeren zahlreicher Schüsseln der Alchimist zu mir sagte: »Der Morgen wird bald anbrechen. Ein Sarg wurde für dich hergerichtet. Deine Handschellen dürfen nicht entfernt werden, denn nicht einmal ich traue dir, mein Freund. Sehr bald werde ich dir meine Erfindungen zeigen, und dann wirst du keine Fesseln mehr benötigen.«
Früh in der folgenden Nacht kamen Bedienstete mit den Schüsseln voller Blut zu mir. Der Alchemist stand dabei, und seine behandschuhten Fingerspitzen waren blutbespritzt, als er mir eine Schüssel an den Mund hielt und sie ein wenig kippte, ganz so als wäre ich ein Säugling, der an der Mutterbrust trinken solle.
Ich spürte, wie mich das Fieber überkam. Der Schleier schien überall um mich herum zu sein und nach mir zu greifen – und ich griff nach ihm.
In seinem Inneren erlebte ich zahlreiche Visionen:
Ich sah die veränderte Erde, mit immer größer werdenden Erhebungen von Land und Meer; ich sah auch gewaltige Kontinente, die in Inseln zerbrachen; ich sah Berge aus Feuer, mit
sich dahinwälzenden Aschewolken, die die Menschen erstickten, die auf der Erde lebten; ich sah die Alkemarerinnen, jene atavistischen Vampyrinnen mit ihren Neunaugenkiefern und ihren krokodilartigen Schwänzen, die halb Jungfrau und halb Aal waren und in den neu gestalteten Flüssen schwammen; ich sah die Elementargeister aus Wald und Feuer, wie sie als ein Volk von Wesen körperliche Form annahmen, deren Ziel es war, die Kinder aus dem Reich der Sterblichen zu stehlen; ich sah auch die legendären Kreaturen aus früheren Zeiten, die Minotauren, Zentauren und Satyren,
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