Die kalte Koenigin
wenn du hier bist, macht sich Enora vielleicht keine Gedanken über Plagen. Für Artephius und die Schattenpriester bist du mehr wert als alle anderen«, sagte sie und legte ihre Hand auf meine. »Deine Verbrennungen sind geheilt.«
»Meine Kraft kehrt zurück«, antwortete ich. »Und das verdanke ich dir.«
»Deine Freundinnen und Freunde benötigen deine Hilfe«, erklärte sie. »Und deine Kinder ebenfalls. Da gibt es einen Ritter aus der Normandie, der Enoras Machtbefugnis hier anficht. Ihm gefällt ihre Zauberei nicht, und der Traum überzeugte ihn auch nicht von der Vormachtstellung der Weißen Roben. Sein Name ist Per Ambler, und er bringt Geld auf, um entlang den Grenzen von Anjou und Paris Armeen aufzustellen. Allerdings muss er dies im Geheimen tun. Außerdem kämpfen wir auch mit Waldmagie, obwohl wir viele ältere Leute haben und einige, die zu jung sind. Andere erleiden Verletzungen, die nicht heilen. Du kannst deinen Freundinnen und Freunden, deinen Kindern und uns helfen. Ich habe mit dem Geist eines Toten namens Kenan Sensterre gesprochen.«
»Ich sah es in einer Vision«, erklärte ich. »Du bist zu den Chymers gegangen, damit sie seinen Geist beschwören. Warum hast du ihn nicht selbst beschworen? Du bist doch in der Zauberei geschult.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie mich ansah. »Diejenigen, die Zauberei mit Moor und Gebeinen praktizieren, werden zu Verbündeten von Taranis-Hir. Es reicht aus, dass ich durch diese abscheulichen Wölfinnen die Toten anrief. Ich würde dies nicht selbst tun. Nur die Geister des Lebens
werden hier angerufen. Nur die Elementargeister dürfen angerufen werden, oder die Göttin selbst.«
»Ich verstehe«, antwortete ich. »Sage mir, spürtest du mich, als ich dich in meiner Vision sah?«
Sie zögerte, bevor sie mir antwortete. Dann sagte sie: »Ich habe dich nicht gespürt, Falkner. Aber ich spürte irgendjemanden und befürchtete, dass es ein Priester der Weißen Roben wäre, der sich gehäutet hatte und mir als Schatten folgte.«
»Kannst du mir sagen, warum du Kenan Sensterre von den Toten riefst?«
»Um dich zu finden. Um dir auf der Flucht zu helfen. Das ist alles. Denn ich weiß, dass du nicht nur der Maz-Sherah deines Volkes bist, Falkner. Du bist der Einzige, der es vermag, die Herrschaft der Scheibe und der Weißen Roben zu beenden. Die Welt wird zerstört, die Erde verbrennt und erfriert. Die Elementargeister weinen, und das Wehklagen der verborgenen Geister ist für diejenigen von uns, die mit ihnen sprechen, ohrenbetäubend. Deine Nacht in dem Spiel stand bevor, die Zeit, in der du die Qual durch den Roten Skorpion erleiden solltest. Ich wollte, dass du stark seist. Ich wollte, dass du wusstest, dass ich dir helfen würde, und dass dies auch andere täten. Kenan Sensterre wusste, wo sich der alte Brunnen befand, weil du ihn einst dorthin geführt hattest. Einst hattest du einen uralten Angehörigen deines Stammes heraufgeholt, als du noch ein Knabe warst. Ich musste dich finden.«
Ich konnte nicht anders – ich beugte mich zu ihr und umarmte sie, wenngleich sie etwas zurückwich, als hätte sie noch immer ein wenig Angst vor geflügelten Dämonen. »Du bist keine Plagenjungfrau«, sagte ich. »Du bist ein Licht in der Dunkelheit. Die Kraft, die du mir gebracht hast, half mir in
der Arena. Ohne sie wären mein Freund Ewen und ich in jener Nacht ausgelöscht worden, denn wir waren so schwach wie Sterbende, als du in dem Brunnen zu uns kamst.«
Nachdem wir über diese Angelegenheiten gesprochen hatten, kam Calyx auf Kenan Sensterre zurück, und damit auf das, was sich sonst noch in seinem Besitz befand und dem Alchimisten selbst gestohlen worden war. »Er gab dies an Constantine weiter, bei dem es sich um einen treuen Diener handelt, allerdings nicht Enora gegenüber. Wohl aber gegenüber deinen Kindern, Lyan und Taran. Und auch der Sache der Akkaditen gegenüber. Hier«, sagte sie, griff in eine Tasche ihres zerlumpten Umhangs und holte ein Stück Papier heraus, das viele Male zusammengefaltet worden war.
Ich entfaltete es und breitete es zwischen uns aus.
Es handelte sich um eine uralte Karte der Erde, mit mehr Ländern und Meeren darauf, als ich je gesehen hatte. »Hier befinden wir uns«, sagte sie, indem sie mit dem Finger auf die Bretagne zeigte. »Dort ist Britannien. Hier, siehst du?« Sie fuhr mit dem Finger quer über den großen Ozean. Auf der anderen Seite davon befand sich ein riesiges Land. »Jenseits des
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