Die kalte Koenigin
du unnatürlich und nicht dazu bestimmt, in ihrem Walde zu existieren. Du musst ihnen Respekt erweisen, sonst werden sie uns zu schnell wieder verlassen.«
Ein Gas bildete sich am Rande der Dornbüsche, die zwischen umgestürzten Bäumen wuchsen, die in einem Kreis vor uns lagen. Es schimmerte grün und blau, wie es auch beim Nordlicht der Fall war. Als eine Frau namens Morla ihre Panflöte spielte, veränderten sich die farbigen Gase und nahmen die Gestalt von physischen Körpern an. Allerdings waren diese ebenso glänzend und fein wie eine Blase, die aus einer Röhre geblasen wird. Nach mehreren Minuten konnte ich die Umrisse der Briary Maids erkennen. Eine übertraf die andere mit ihrem Leuchten, als die Lichter in ihren Seelen aufflammten, wie bei einer Kerze, die soeben angezündet worden war.
Diese Energien, wie die Waldfrauen sie nannten, bewegten sich in einem langsamen Tanz, der mehr der eines Rituals als einer der Musik zu sein schien. Sie umkreisten die Brombeersträucher, die dort wild wuchsen. Ihre Hände wirkten, als wären sie von einem Geistfeuer berührt worden, denn kleine, durchscheinende Flammen loderten aus ihren Fingern in die Höhe, als sie sich bewegten, und winzige Flämmchen tanzten von der einen zur anderen. Desgleichen wirkte ihr Haar wie Wasserfälle, die über ihre Leiber strömten. Als ich nach ihren Füßen suchte, konnte ich überhaupt keine erkennen, denn ihre geisterhafte Substanz löste sich in Bodennähe in Luft auf. Ihre Körper schmolzen ineinander und auseinander, während sie sich bewegten, und zwar auf eine solche Weise, dass ich nicht zu zählen vermochte, um wie viele dieser Geister es sich handelte.
»Sie sind bereit«, sagte eine der Frauen.
Die Briary Maids, diese Erscheinungen, deren Leiber weder vollständig massiv noch flüssig waren, hielten in ihrem Tanz inne und standen vor mir, Schulter an Schulter, als handelte es sich bei ihnen um ein einziges Wesen.
»Liebe Jungfrauen des Nebels«, sagte ich, indem ich mich an den Respekt erinnerte, den alle Geister verlangten, »ich wende mich mit einer Frage an Euch.«
»Bluttrinker«, sprachen sie alle zugleich, wobei ihre Stimmen leise und traurig klangen, als hätten sie gerade in dieser Nacht die Toten begraben. »Du bist unter den Lebenden nicht willkommen. Doch unsere Schwestern erzählen uns, dass du um des Guten willen herkamst. Gefällt es dir, die Sterblichen der Welt zu töten?«
»Gute Jungfrauen, ich jage, wenn ich dazu gezwungen bin.
Das ist der Fluch, der auf mir liegt. Aber ich jage nicht in Euren Wäldern, auch wenn ich als Kind oft herkam, um Hirsche und wilde Vögel zu fangen.«
»Behandle uns nicht so, wie du junge Sterbliche behandeln würdest, Falkner. Wir sind nicht wie die Jungfrauen, die du um ihres Blutes willen töten würdest. Wir haben dir kein Blut anzubieten und keine Angst vor denjenigen deiner Art. Warum kommst du zu uns?«
»Ich strebe danach, diese schrecklichen Zeiten zu beenden.« »Warum sorgt sich ein Bluttrinker um das, was mit dem Reich der Sterblichen geschieht? Bist du etwa kein Menschenschlächter und Kinderverschlinger?«
»Ich bin hier, um Sterbliche zu retten.«
»Warum sollte ein Bluttrinker dies tun?«
»Tötet nicht der Wolf das Lamm, um zu überleben? Ist der Wolf etwa kein Teil der Natur?«
»Es ist die Natur des Lebens, Leben zu verschlingen«, sprachen sie einstimmig.
»Schreit nicht die Rübe, wenn sie aus der Erde gezogen wird, so, dass nur andere Rüben es hören können? Und dennoch muss die Wildsau die Rübe fressen, damit sie Milch für ihre Jungen geben kann.«
»Es ist die Natur des Lebens, dem Leiden dessen, das es nicht verstehen kann, gleichgültig gegenüberzustehen.«
»Wenn mich die Natur zu einem Bluttrinker gemacht hat, bin ich dann nicht wie der Wolf und das Wildschwein? Bin ich nicht wie der sterbliche Mann selbst, der das Schwein und den Wolf tötet, um Nahrung und Wärme zu erhalten? Und kämpfen Menschen nicht miteinander und vergießen ihr heiliges Blut auf der Erde? Verschmäht Ihr daher alle Menschen?«
»Es liegt doch ganz in der Natur des Menschen, nach dem Antlitz des Todes zu streben«, erwiderten sie. »Denn das ist der Weg, den alle Angehörigen des Reiches der Sterblichen gehen müssen.«
»Und mich hat die Natur nicht zu einem Bluttrinker gemacht?«
»Bluttrinker sind kein Teil der Natur. Sie sind unnatürlich, denn sie haben die Hand des Todes zurückgewiesen und sind ins Leben zurückgekehrt.«
Ich seufzte, entmutigt
Weitere Kostenlose Bücher