Die kalte Koenigin
Weltenrandes, jenseits des Meeres, im Süden und Westen, da liegt es.«
Die Landmasse war mit dem Wort AZTLANTEUM beschrif tet.
Darunter war ein weiteres Wort hingekritzelt worden: IXTAR.
»Ich habe Legenden über Aztlanteum gehört«, meinte ich. »Es soll sich dabei um ein Paradies des Goldes und der Magie handeln. Aber das sind Erzählungen von Leuten, die niemals bis jenseits des Weltenrandes kamen.«
Sie drehte die Karte herum, um mir die Schrift auf der Rückseite zu zeigen. »Kannst du dies lesen?« Ich schüttelte den Kopf.
Sie las das Gekritzel des Alchimisten laut vor. Darin ging es um eine Konstellation, die wie ein Spinnennetz aussah, Schiffe, die von dem Land der Sarazenen nach Aztlanteum übersetzten, und um eine Route von Afrika, bei der man dem Flug bestimmter Vögel folgen sollte. Und am Ende dieser fantasiereichen Abhandlung standen die Worte »Sie besitzt die Maske der Gorgo.« Als mir Calyx diese letzten Worte zeigte, sagte sie: »Dies wurde vor kürzerer Zeit als die anderen Worte geschrieben. Weißt du von dieser Maske?«
Ich nickte. »Ja.«
»Und wir ebenfalls. Der Geist des toten Mannes erzählte mir, dass wir sie zusammen mit dem Stab der Nahhashim und einem brennenden Schwert suchen sollen. Weißt du, was das bedeutet?«
Ich nickte, obwohl ich befürchtete, dass es sich dabei um dasjenige handelte, mit dem ich verbrannt worden war. »Da gibt es Zeremonien der Priester des Stammes von Vampyren, von denen ich wieder zum Leben erweckt wurde. Ich bin derjenige, der diese Rituale durchführen muss. Aber ich verstehe nicht, was ich tun soll, obwohl mir Visionen von gewissen Dingen gezeigt wurden. Ich sah die Maske, als ich zum Vampyr wurde. Dann sah ich sie erneut, als der Traum der Scheibe über uns kam. Ich erblickte sie viele Male in Visionen, doch ihre Macht verstehe ich nicht.«
»Es dauert noch einen ganzen Monat bis zur Sonnenwende, Aleric. Dann sind die Myrrydanai am schwächsten, und da müssen wir angreifen. Es ist die richtige Zeit, um die Zeremonien durchzuführen.«
»Ja«, antwortete ich. »Ja. Das müssen wir tun. Aber zuerst sollten wir zurückkehren und noch andere retten. Mein Gefährte Ewen ist mehr als ein Bruder für mich, und Kiya... Midias... und andere. Außerdem habe ich meine Kinder gesehen. Sie sind am Leben. Ich muss sie ihr wegnehmen. Ich muss sie aus Taranis-Hir fortbringen.«
Calyx senkte die Stimme, als wollte sie von niemandem belauscht werden. »Du wirst gefangen genommen werden. Diejenigen deines Volkes sind leicht zu fangen. Und auch wenn du ihnen einmal entkommen bist, weißt du nicht, was die Macht des Stabes der Nahhashim vermag, sollte es Enora selbst sein, die Jagd auf dich macht. Es bleibt keine Zeit für deine Freundinnen und Freunde. Oder für deine Kinder. Ich habe die Vorzeichen dafür gesehen, ebenso wie du. Heute Nacht rufen wir die Briary Maids an, denn die Nebel sind aus den Marschen unter uns gestiegen, während Schnee und Eis das Land bedecken. Morgen Nacht, wenn du dich ausgeruht hast, musst du aufbrechen, um diese Maske zu finden, denn es handelt sich dabei vielleicht um diejenige aus dem Scheibentraum, die wir nicht sehen sollten.«
»Wenn ich so bald gehen muss«, entgegnete ich, »so werden meine Freundinnen und Freunde sterben.«
»Wenn du aber nicht bald gehst«, erwiderte sie mit kummervoller Stimme, »werden alle sterben. Die Sonnenwende ist eine günstige Gelegenheit für uns, Falkner. Die Zeit ist knapp, aber wenn du diese Maske findest und mit ihr zurückkehrst, so kannst du damit viele retten.«
»Erzähle mir von den Briary Maids«, sagte ich. »Denn für mich sind sie nichts als eine Legende.«
»Sie erscheinen als Licht und Sumpfgas«, erklärte Calyx. »Und sie sind ränkevoll und spielen Streiche. Doch sie verfügen über ein großes Wissen, und du musst vor deiner Reise mit ihnen sprechen.«
Ich folgte Calyx durch die Tunnel der Höhlen, die steil abfielen, bis wir schließlich durch eine Türöffnung ins Freie gelangten; und was wie ein Türeingang aus immergrünen Pflanzen wirkte, bedeckte die Felswand, als wir in die frostige Luft hinauskamen.
Ich setzte mich mit Calyx und mehreren anderen Frauen auf flache Felsen, die in einer zeremoniellen Weise angeordnet worden waren.
Wir wurden in schwere Decken gehüllt. Dennoch war ich durch die eisige Luft bis auf die Knochen durchgefroren.
Bevor eine Priesterin des Waldes die Briary Maids anrief, wurde ich gewarnt: »Sie werden dich prüfen. Für sie bist
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