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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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unter seinen Schuhen (die Schnürsenkel und seinen Gürtel hatten sie ihm abgenommen) hob und senkte, während er darauf wartete, dass das Verhör weiterging. In den letzten Tagen waren sie zu den unberechenbarsten Zeiten gekommen, eine Methode, mit der sie ihm eher den Schlaf rauben als Informationen entlocken wollten. Da seine kleine Zelle direkt über dem Kielraum des Hausbootes ebenso wenig ein Bullauge hatte wie die Kajüte darüber, wo die Verhöre stattfanden, hatte er schon lange kein Gefühl mehr dafür, ob es Tag oder Nacht war. Die einzigen Geräusche, die von draußen an sein Ohr drangen, waren die Nebelhörner vorbeifahrender Fähren und das schrille Sirenengeheul, wenn Polizeiwagen durch die Straßen von Prag brausten. Irgendwo im Bauch des Hausbootes stampfte dumpf ein Generator, und hin und wieder flackerte die Glühbirne, die außer Reichweite über seinem Kopf hing. Kurz nachdem Radek ihn vom Polizeibus auf das Hausboot verfrachtet hatte, das flussabwärts nicht weit von der Karlsbrücke an einem Zementkai vertäut war, meinte er, von einem anderen Deck den gedämpften Schrei einer Frau zu vernehmen, doch als er sich das Geräusch noch einmal vergegenwärtigte, kam er zu dem Schluss, dass es wohl das Aufjaulen einer Katze gewesen sein musste, die die Mülltonnen am Kai durchwühlte. Die langen Verhöre in dem stickigen Raum schienen den Vernehmungsbeamten – ein hagerer, unrasierter Mann mit geschorenem Schädel und einer Adlernase, die aussah, als wäre sie mal gebrochen und schlecht wieder gerichtet worden – nicht im Geringsten zu ermüden. Er saß mit hängenden Schultern hinter einem kleinen Schreibtisch, der an den Deckplanken festgeschraubt war, und bombardierte ihn mit sachlich monotoner Stimme mit Fragen, wobei er nur gelegentlich die Augen von seinen Notizen hob. Radek, der jetzt einen eleganten braunen Dreiteiler trug, lehnte neben einem der beiden Wachleute, die Martin aus seiner Zelle holten und zurückbrachten. Martin saß vor dem Tisch auf einem Stuhl, dessen vordere Beine ein Stück gekürzt worden waren, damit der Gefangene ständig das Gefühl hatte, herunterzurutschen. Grelle Lampen auf beiden Seiten des Schreibtisches blendeten ihn, sodass ihm die Augen tränten und er alles nur verschwommen sah.
    »Haben Sie einen Namen?«, hatte Martin den hageren Mann hinter dem Schreibtisch beim ersten Verhör gefragt.
    Die Frage schien sein Gegenüber zu bekümmern. »Was hätten Sie davon, wenn Sie meinen Namen wüssten?«
    »Dann könnte ich mich bei der amerikanischen Botschaft über Sie beschweren.«
    Der Mann hatte Radek einen kurzen Blick zugeworfen, dann wieder Martin angesehen. »Wenn Sie die Beschwerde einreichen, können Sie ja sagen, Sie wären von einer geheimen Einheit eines geheimen Ministeriums verhaftet worden.«
    Radek unterdrückte ein kehliges Lachen.
    Der hagere Mann schob Martin eine Kanne Kaffee hin und sagte: »Bedienen Sie sich.«
    »Sie haben da bestimmt Koffein reingetan, um mich wach zu halten«, erwiderte er müde, goss sich aber doch etwas Kaffee in einen Plastikbecher und trank einen Schluck. Seit er auf dem Hausboot war, hatte er gesalzenen Reis, aber nichts zu trinken bekommen.
    »Ihre Verhörmethoden haben Sie sich wohl aus amerikanischen Filmen abgeschaut.«
    »Das will ich nicht leugnen«, sagte der hagere Mann. »Man sollte kein Snob sein und ruhig Anregungen aufgreifen. Auf jeden Fall sind die Methoden wirksam, das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen – ich habe nämlich schon auf beiden Seiten des Verhörtisches gesessen. Als die Kommunisten mich wegen antikommunistischer Umtriebe verhafteten, haben sie mich innerhalb von vier Tagen mit genau diesen Methoden überzeugt, Vergehen zu gestehen, die ich gar nicht begangen hatte. Und welche Erfahrungen haben Sie gemacht, Mr. Odum?«
    »Ich habe keinerlei Erfahrung mit Verhören«, sagte Martin.
    Der Mann lachte ungläubig. »Den Eindruck hat Ihre CIA aber nicht bei uns erweckt. Der Leiter der Prager Station hat uns anvertraut, dass Sie einmal ein Spitzenagent waren, so erfahren, dass man Ihnen nachsagte, Sie könnten selbst dann mit einer Menschenmenge verschmelzen, wenn gar keine da war.«
    »Wenn ich nur halb so gut wäre, wieso bin ich dann auf Radeks Masche am Flughafen reingefallen?«
    Der Mann zuckte mit seinen hängenden Schultern, was sie für einen Augenblick in die Position hob, die sie normalerweise hätten haben müssen. »Vielleicht haben Sie Ihre beste Zeit hinter sich. Vielleicht

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