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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Ohr geflüstert. Gleich zu Beginn des Verfahrens hatte Hamlet verkündet, dass er von der Schuld der Angeklagten absolut überzeugt sei und dass das Kriegsgericht lediglich die Aufgabe habe, über die Schwere der Schuld zu entscheiden und das Strafmaß festzusetzen.
    »Was soll ich denn verbrochen haben?«, hatte Martin gefragt, nachdem er auf unschuldig plädiert hatte.
    »Sie arbeiten für einen ausländischen Geheimdienst«, hatte Hamlet erwidert. »Sie wollten russische Biowaffengeheimnisse stehlen.«
    »Ich möchte lediglich Samat Ugor-Shilow interviewen«, hatte Martin Almagul übersetzen lassen. Dann hatte er von Samats humanitärer Mission erzählt – die Rückführung der Gebeine des heiligen Gedymin in ein litauisches Dorf, um dafür die heiligen Thorarollen zu erhalten und sie nach Israel zu bringen.
    »Und wo«, fragte Hamlet, beugte sich vor und legte den großen Kopf schief, um Martins Antwort besser verstehen zu können, »würde Samat die Gebeine des heiligen Gedymin finden?«
    »Angeblich hat er sie in einer kleinen orthodoxen Kirche in Argentinien ausfindig gemacht, in der Nähe von Córdoba.«
    »Und was«, fuhr der Warlord fort und ließ seine kleinen Füße auf der Munitionskiste tanzen, »würde Samat den Argentiniern für die Gebeine des Heiligen bieten?«
    Martin erkannte, dass er das Minenfeld erreicht hatte. »Ich habe keine Ahnung«, sagte er. »Das ist eine der Fragen, die ich Samat stellen wollte.«
    Worauf Hamlet in einen so heftigen Wortschwall ausbrach, dass Almagul alle Mühe hatte, mit der Übersetzung mitzukommen. »Er sagt, Sie wissen ganz genau, was Samat im Austausch bieten würde, sonst wären Sie nicht auf die Insel gekommen. Er sagt, das russische Atomwaffenarsenal wird in zehn Jahren veraltet sein und die Amerikaner werden Russland beherrschen, wenn es Samat nicht gelingt, Biowaffen zu perfektionieren, um die amerikanische Bedrohung abzuwehren. Er sagt, Biowaffen seien die einzige kostengünstige Lösung für das russische Problem. Er sagt, es kostet zwei Millionen Dollar, die Hälfte aller Menschen auf einer Fläche von einem Quadratkilometer mit Raketen zu töten, die mit konventionellen Sprengköpfen bestückt sind, mit einer Nuklearwaffe kostet es achtzigtausend Dollar, mit einer chemischen Waffe sechshundert und mit einer Biowaffe einen Dollar. Wosroschdenije war mal das Zentrum der Biowaffenforschung in der Sowjetunion. Mit Samat als Leiter und Geldgeber entwickelt Wosroschdenije zur Zeit wieder ein Bioarsenal, das Russland vor der amerikanischen Herrschaft bewahren wird.«
    Hamlet ließ sich zurück auf den Thron sinken. Einer der Wissenschaftler brachte eine Porzellanschüssel mit Wasser, das nach Desinfektionsmittel roch, und der Warlord wrang den darin liegenden Schwamm aus und wischte sich über die fiebrige Stirn.
    Martin sagte sehr leise: »Wollen Sie damit andeuten, dass Samat den Argentiniern für die Gebeine des Heiligen einen Grundstock an Biowaffenerregern geben wird?«
    »Das will ich ganz und gar nicht andeuten«, stöhnte der Warlord, nachdem Almagul übersetzt hatte. »Oder doch?«, fragte er die Wissenschaftler.
    » Njet, njet « , antworteten sie alle durcheinander.
    »Das ist der Beweis«, rief Hamlet und zeigte auf die Wissenschaftler, als wären sie seine Hauptzeugen.
    »Was wollen Sie denn dann damit sagen?«, ließ Martin Almagul fragen.
    »Wer steht hier vor Gericht, Sie oder ich?«, entgegnete der Warlord wütend. »Ich will damit nicht sagen, dass Samat das argentinische Militär mit Biowaffen beliefert. Ich will damit auch nicht sagen, dass er ihnen die Orbits von amerikanischen Spionagesatelliten geliefert hat. Das Gerücht entbehrt jeder Grundlage. Jeder Idiot weiß schließlich, dass Spionagesatelliten nur dann erstklassige Fotos liefern, wenn sie in niedriger Höhe fliegen und die Erde in einem polaren Orbit alle neunzig Minuten umkreisen. Jeder Idiot weiß auch, dass sie sich immer nur ein paar Minuten über irgendeiner beliebigen Stelle der Erdoberfläche befinden. Wenn man weiß, wann genau ein Satellit über einem sein wird, kann man die Operationen, die man vor den Amerikanern geheim halten will, verschieben. So machen Indien und Pakistan das seit Jahren. Ebenso der Irak. Daher auch das Gerücht, Samat hätte von Saddam Hussein die Satellitenorbits erfahren, die er den Argentiniern für die Gebeine des Heiligen angeboten hat.«
    Martin dämmerte allmählich, dass Hamlet und seine Leute komplett verrückt waren – Figuren, denen

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