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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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herum und unterhielten sich. Martin konnte ihre Stimmen hören. Allmählich wurde der Schmerz hinter seinen Augen schlimmer, und er spürte, wie er in eine andere Identität gesogen wurde – eine, in der ihm die Sprache der Männer irgendwie vertraut vorkam, und zu seiner Verblüffung merkte er plötzlich, dass er Teile davon verstand.
    »… sehr stabil, sogar im Sonnenlicht. «
    » … der Vorteil von Milzbrand gegenüber der Pest. Sonnenlicht macht Pesterreger unschädlich. «
    » … sollten uns auf Milzbrand konzentrieren. «
    » … finde ich auch … vor allem auf Lungenmilzbrand, der extrem tödlich ist. «
    » Q-Fieber hält sich im Sand über Monate. «
    » Was sollen wir also machen … New York bombardieren und dann Amerika mit Q-Fieber angreifen? «
    » … glaube nach wie vor, es ist ein Fehler, wenn wir uns auf bakterielle Erreger konzentrieren, die sich im Allgemeinen schwer stabilisieren, schwer zu einer Waffe machen lassen. «
    Na klar! Die Männer sprachen Russisch, eine Sprache, die Martin an der Uni studiert hatte, in einer früheren Inkarnation. Ihm fiel ein, dass die Therapeutin in der CIA-Klinik ihm von einem Fall erzählt hatte, in dem eine Teilpersönlichkeit eine Sprache sprechen konnte, die die anderen Persönlichkeiten nicht verstanden. Das sei ein wunderbares Beispiel dafür, wie das Gehirn die Legenden voneinander getrennt halten kann.
    » … nicht schon wieder für Nervengase und gegen bakterielle Erreger? Samat hat die Frage schon vor Monaten entschieden. «
    » Samat hat gesagt, wir könnten die Frage jederzeit zur Diskussion stellen. Nervengase – vor allem VX, aber auch Soman und Sarin – können tödlich sein. «
    » Aber die Herstellung ist problematisch. «
    » Tabun ist relativ leicht herzustellen. «
    » Tabun ist aber nur eingeschränkt stabil. «
    » So kommen wir nicht weiter … probieren wir doch mal ein hämorrhagisches Fieber – zum Beispiel Ebola – an einem unserer Kunden aus. «
    » Ebola führt uns nur in die Sackgasse. Zugegeben, es ist tödlich, aber auch relativ instabil, was ein Ebola-Programm problematisch macht. «
    » Dennoch, wir haben die Sporen, die Konstantin in seinem Labor entwickelt hat, die könnten wir doch genauso gut an einem unserer Versuchskaninchen testen. «
    »… w ir haben nur noch acht. «
    » … keine Sorge … zwei neue. «
    Die drei Wissenschaftler, wenn es denn welche waren, setzten sich Gasmasken mit großen Kohlefiltern auf. Einer von ihnen holte ein Teströhrchen aus einem Kühlschrank, entfernte mit einem Taschenmesser den Wachsverschluss und träufelte dann vorsichtig einen einzigen Tropfen einer gelblichen Flüssigkeit auf einen Wattebausch in einer Petrischale, auf die er rasch einen Glasdeckel legte. Die Wissenschaftler schoben einen niedrigen Tisch an den Käfig am anderen Ende des Kellers und richteten einen kleinen Ventilator so aus, dass er die Luft über die Petrischale hinweg in den Käfig blies. Der bärtige Riese von einem Mann, der mit dem Rücken an den Käfigstäben lehnte, wippte nach vorn auf die Knie und fing an, die Männer in der Sprache der Plünderer anzubrüllen. Von dem Geschrei wurden die anderen Gefangenen wach. Almagul kam auf die Knie, umklammerte die Stäbe ihres Käfigs und schrie die Männer auf Usbekisch an. Der Gefangene in dem Käfig neben ihr tobte ebenfalls los. Als Almagul zu Martin herübersah, war ihr Gesicht vor Entsetzen verzerrt. »Die wollen mit dem Mann da hinten im Käfig ein Experiment machen«, rief sie und zeigte auf die Männer in den weißen Kitteln.
    Im letzten Käfig ließ der bärtige Mann sich zurück aufs Gesäß sinken, hielt sich einen Hemdzipfel vor den Mund und atmete durch den Stoff. Einer der Wissenschaftler trug eine Kamera mit Stativ herbei und fing an, den Gefangenen zu filmen. Einer seiner Kollegen sah auf seine Armbanduhr, notierte die Zeit auf einem Klemmbrett, nahm dann den Deckel von der Petrischale und trat von dem Käfig zurück.
    Martin musste an die Gerichtsverhandlung denken, die ihn und das Mädchen in die Affenkäfige gebracht hatte. Das Kriegsgericht – wie der Warlord es nannte – hatte nach der Mittagspause begonnen und dauerte nur zwanzig Minuten. Hamlet, der auf der Bühne des Theatersaals thronte, fungierte als Staatsanwalt und Richter. Martin, dessen Hände noch mit der Hundeleine gefesselt waren, war wegen Hochverrats angeklagt. Almagul, die der Beihilfe beschuldigt wurde, hatte hinter Martin gestanden und ihm nervös die Übersetzung ins

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