Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
Venezolanische Pferdeenzephalitis, übertrugen die Krankheiten aber schließlich auf Flöhe, die sie wiederum auf andere Säugetiere übertrugen. Ein einfacher Flohstich auf der Insel konnte daher für den Menschen tödlich sein. Die Risiken waren äußerst real. In den zwei Jahren seit dem Tod ihres Vaters hatte Almagul von vierzehn Männern gehört, die auf Wosroschdenije nach Brauchbarem gesucht hatten und spurlos verschwunden waren. Die Polizei ging davon aus, dass die Männer auf der Insel von Flöhen gebissen worden waren und dann an der Pest oder einer anderen Krankheit auf den Dünen gestorben waren, wo die Flamingos ihnen das Fleisch von den Knochen gepickt hatten.
    Almagul hatte Andeutungen gemacht, dass durch Flöhe verbreitete Bioerreger oder Viren nicht die einzigen Gefahren in der Geisterstadt auf der Insel waren. Als Martin nachhakte, sagte sie, in den Ruinen von Kantubek hätte sich eine Hand voll Plünderer mit einem Warlord als Anführer niedergelassen. Hat der Warlord auch einen Namen ?, fragte Martin. Mein Vater, der jeden Abend vor dem Schlafengehen in der Bibel gelesen hat, hat den Warlord » Asasel « genannt, nach dem Dämon in der Wüste, dem immer am Versöhnungstag ein Sündenbock geschickt wird, erwiderte das Mädchen. In Nukus erzählt man sich auch, er sei ein dänischer Prinz mit Namen Hamlet Achba. Dieser Hamlet und seine Bande verlangen fünfundzwanzig Prozent von dem Wert der Sachen, die jemand von der Insel holt. Almagul war sicher, dass der Warlord nichts gegen einen Journalisten von einer kanadischen Zeitschrift haben würde, der auf der Insel für einen Artikel über die geheimen Biowaffentests der damaligen Sowjetunion recherchiere, und auch nichts gegen das Mädchen, das ihn begleitete, um sich etwas Geld für den Winter zu verdienen.
    Langsam, um sein lahmes Bein zu schonen, stapfte Martin den Weg hinauf, der sich durch die Dünen schlängelte. Oben angekommen, drehte er sich um und winkte Almagul zu, doch sie sah ihn nicht, da sie sich auf eine Kiste gesetzt hatte und die Flamingos beobachtete, die an den Strand zurückkehrten. Nach der nächsten Anhöhe folgte er einer aus Betonplatten bestehenden Straße, die in die Geisterstadt führte. Am Rande der Stadt sah er ein Basketballfeld, das in einen Hubschrauberlandeplatz umfunktioniert worden war – ein großer, weißer Kreis war auf den Zement gemalt, und die Oberfläche war schwarz von Motorabgasen. Ein Stück weiter die Straße hinunter kam er an einem riesigen Hangar vorbei, der als Garage für den Fuhrpark von Kantubek gedient hatte und dessen Wellblechdach größtenteils geplündert worden war. In Sandwehen eingegraben standen da ausgeschlachtete grüne Laster, zwei T-52-Panzer ohne Ketten, zwei gepanzerte Mannschaftswagen ohne Räder, ein verwitterter orangefarbener Bus, der noch auf einer Rampe aufgebockt war, ein Feuerwehrwagen mit aufgeklappter Motorhaube und fehlendem Motor, die verrosteten Gerippe von mehreren alten Traktoren mit aufgemalten, verblichenen sowjetischen Parolen. Ein Stück weiter sah Martin über dem Eingang eines riesigen Gebäudes eine zerfledderte Flagge mit Hammer und Sichel, an den Masten der Straßenlaternen hingen Schilder, auf denen die kyrillische Schrift von der Sonne verblichen war, und an den Kreuzungen wirbelten ihm Staub und Sand um die Füße.
    Mit einem Mal meldete sich sein Instinkt. Er spürte Blicke, die sich ihm in den Nacken bohrten, bevor er die Plünderer sah, die hinter den Gebäuden zum Vorschein kamen. Es waren fünf, alle mit unten geschlossenen Hosen aus Segeltuch und mit Segeltuchhandschuhen, die bis zu den Ellbogen reichten. Außerdem trugen sie Gasmasken, wie sie auf usbekischen Baumwollfeldern beim Einsatz von Insektenschutzmitteln verwendet wurden. Jeder der Männer hatte einen geschwungenen Kosakensäbel am Gürtel und im Arm ein altes Repetiergewehr, über dessen Mündung ein Kondom gezogen war, damit kein Sand und keine Feuchtigkeit eindrangen. Martins Hand glitt instinktiv nach hinten zu der Stelle in seinem Kreuz, wo seine Pistole gewesen wäre, wenn er sich nicht von ihr getrennt hätte, bevor er von Deutschland in die georgische Hauptstadt Tiflis und dann in einem gecharterten Schädlingsbekämpfungsflugzeug weiter nach Nukus in Usbekistan geflogen war.
    Einer der Männer bedeutete Martin, die Hände über den Kopf zu heben. Ein weiterer kam zu ihm und tastete ihn nach Waffen ab.
    Martin wurden die Hände mit einer Hundeleine vor dem Körper gefesselt, und

Weitere Kostenlose Bücher