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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Street erschienen Lichter in den Fenstern, und die Glühbirne im Eingang des Bestattungsinstituts gegenüber ging an. Zwei Stockwerke über der Tür mit dem goldenen Schriftzug »Achdan Abdulchadshiev & Sons – Crematorium« flammte ein überladener Kronleuchter auf, und der kratzige Klang eines Akkordeons, das eindeutig zentralasiatische Melodien spielte, drang aus dem offenen Fenster. Ein Mann und ein Junge im Teenageralter zogen eine Karre voll mit Halava-Dosen über die Straße und bogen ein Stück weiter in eine Einfahrt ein. Zwei Mädchen kamen seilhüpfend am Packard vorbei. Eine alte Frau mit einem Korb voller Gemüse eilte die Stufen eines Hauses hoch. Als die Straße menschenleer war, beugte Martin sich vor und klopfte Stella auf die Schulter.
    Sie verstellte den Rückspiegel so, dass sie Martin sehen konnte.
    »Wie lange hab ich geschlafen?«
    »Ein paar Minuten.«
    Samat öffnete blinzelnd die Augen und unterdrückte ein Gähnen. Er schaute die Straße rauf und runter. »Ich verstehe noch immer nicht, was wir hier wollen«, sagte er nervös. »Wenn wir mit jemandem verabredet sind –«
    Martin hörte eine Stimme im Ohr. Jetzt wäg ausnahmsweise mal nicht das Für und Wider ab   setz einfach Gewalt ein.
    »Dante?«
    Nicht schießen, Martin – das macht zu viel Krach. Nimm den Pistolengriff. Brich ihm die Kniescheibe.
    Stella sagte: »Mit wem redest du, Martin?«
    Überleg nicht lange, Menschenskind, tu’s einfach!
    »Ich rede mit mir selbst«, murmelte Martin.
    Er brannte förmlich darauf, aus seiner Martin-Odum-Legende auszubrechen, nur für einen Augenblick jemand zu werden, der so impulsiv war wie Dante Pippen. Er packte die Tula-Tokarev am Lauf und schmetterte den Griff mit voller Wucht auf Samats rechtes Knie. Das laute Knirschen von brechenden Knochen erfüllte den Packard.
    Samat starrte fassungslos auf sein Knie, wo sich bräunliche Flecken auf dem Stoff der Hose ausbreiteten. Dann erreichte der Schmerz sein Gehirn, und er brüllte auf. Tränen schossen ihm aus den Augen.
    Stella drehte sich um und rang nach Luft. »Martin, bist du verrückt geworden?«
    »Im Gegenteil.«
    Samat hielt das zertrümmerte Knie mit beiden Händen umklammert und warf sich vor Schmerzen hin und her. Martin sagte sehr leise: »Du hast Kastner umgebracht, stimmt’s?«
    »Bringt mich zu einem Arzt.«
    »Du hast Kastner umgebracht«, wiederholte Martin. »Gib’s zu – und ich mach deinen Qualen ein Ende.«
    »Ich habe mit Kastners Tod nichts zu tun. Der Oligarch hat ihn eliminieren lassen, als Quest ihm erzählte, dass du mich suchst. Mein Onkel und Quest … die wollten alle Spuren verwischen.«
    Stella sagte: »Wie sind die Killer ins Haus gekommen, ohne eine Tür oder ein Fenster aufzubrechen?«
    »Quest hat die Schlüssel für die Türen und die Alarmanlage besorgt.«
    »Du hast auch die junge Chinesin auf dem Dach umgebracht«, sagte Martin.
    Samats Nase begann zu tropfen. »Quests Leute haben dem Oligarchen von den Bienenstöcken auf dem Dach erzählt. Er hat einen Scharfschützen auf das Dach gegenüber geschickt. Der Scharfschütze hat die Chinesin für dich gehalten. Ihr Tod war ein Unfall.«
    »Wo ist der Oligarch?«
    »Um Himmels willen, ich muss zu einem Arzt.«
    »Wo ist der Oligarch?«
    »Wie oft soll ich das noch sagen: Ich weiß es nicht.«
    »Ich weiß, dass du es weißt.«
    »Wir telefonieren immer nur.«
    »Die Nummer mit der 718er-Vorwahl?«
    Als Samat nicht antwortete, griff Martin über Samat hinweg und drückte die Tür auf der anderen Seite des Wagens auf. »Lies den Namen, der da über der Tür des Krematoriums steht«, befahl er.
    Samat versuchte, den Namen zu entziffern. »Ich kann ihn nicht deutlich erkennen –«
    »Da steht Achdan Abdulchadshiev. Abdulchadshiev ist ein tschetschenischer Name. Die Tschetschenen, die das Krematorium betreiben, standen mal in dem Verdacht, sie würden den Leichen vor der Einäscherung die Goldzähne ziehen. Wenn du mir die Telefonnummer nicht gibst, stoße ich dich aus dem Wagen, klingele an der Tür und erzähle den Tschetschenen, die da oben gerade beim Essen sind, dass der Mann, der den Osmanen mit dem Kopf nach unten an einem Laternenpfahl in Moskau aufgeknüpft hat, bei ihnen unten vor der Tür liegt. Es gibt keinen Tschetschenen, der die Geschichte nicht kennt, der nicht sofort die Gelegenheit nutzen würde, eine alte Rechnung zu begleichen.«
    »Nein, nein. Die Nummer … die Nummer ist 718 587 9291.«
    »Wenn du lügst, breche ich dir auch noch das

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