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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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gesehen hat.«
    »Ich schwöre beim Leben meiner Mutter, ich weiß nicht, wo der Oligarch ist. Die 718er-Telefonnummer war die Privatnummer eines amerikanischen Herstellers von Prothesen, die ich nach London importiert habe, um sie weiter in Kriegsgebiete zu verschicken.«
    Tränen standen in Samats seetanggrünen Augen. »Es könnte gut sein, dass der Oligarch nicht mehr am Leben ist. Im Zeugenschutzprogramm sind solche Sachen streng geheim, gerade damit keiner über mich an ihn rankommt. Oder über ihn an mich.«
    Stella sagte, sehr leise: »Vielleicht sagt er die Wahrheit.«
    Samat klammerte sich an den Rettungsring, den Stella ihm zugeworfen hatte. »Ich wollte dir wirklich nicht wehtun«, sagte er zu ihr. »Deine Schwester und ich haben geheiratet, weil wir beide einen praktischen Vorteil davon hatten – sie wollte in Israel leben, und ich musste schnell aus Russland raus. Ich konnte nicht mit Ya’ara schlafen. Das musst du verstehen.«
    »Wie praktisch, dass Stella da war«, sagte Martin.
    Samat wich seinem Blick aus. »Ein normaler Mann hat normale Gelüste …«
    Martin hielt die Pistole noch einige lange Sekunden auf ihn gerichtet, dann senkte er langsam den Lauf. »Dein anderer Onkel, der in Caesarea, hat behauptet, du hättest aus seinen Holdinggesellschaften hundertdreißig Millionen Dollar abgezweigt. Er hat mir eine Million Dollar geboten, wenn ich dich finde.«
    Samat sah einen Hoffnungsschimmer. »Ich zahle dir zwei Millionen, wenn du mich nicht findest.«
    »Ich nehme keine Schecks.«
    Samat erkannte, dass er vielleicht doch noch eine Chance hatte.
    »Ich hab im Gefrierfach Inhaberaktien versteckt.«
    »Wir müssen noch eine andere Angelegenheit regeln«, stellte Martin fest.
    Mit einem jetzt wieder zuversichtlichen Unterton in der Stimme sagte Samat: »Kein Problem.«
    Stella verbrachte fast den ganzen folgenden Morgen am Telefon, um einen orthodoxen Priester ausfindig zu machen, der ihnen helfen konnte. Ein alter Rabbi in Philadelphia gab ihr die Nummer eines Kollegen in Tenafly, New Jersey. Eine Stimme auf dem Anrufbeantworter der dortigen Synagoge Chaba Lubavitch nannte für dringende Fälle die Privatnummer des Rabbis, wo sich aber niemand meldete. Ein Rabbi der Gemeinde Beth Hakneses Hachodosh in Rochester kannte einen Rabbi der Gemeinde Ezrath Israel in Ellenville, New York, der jüdische Scheidungen durchführte, doch als Stella dort anrief, meldete sich nur seine Tochter und sagte, ihr Vater sei in Israel, er habe aber einen Cousin, der die Gemeinde B’nai Jacob in Middletown, Pennsylvania leitete. Wenn es ein Notfall sei, könne Stella ihn gern anrufen. Der Rabbi in Middletown empfahl ihr Abraham Shulman, den Rabbi in der Synagoge Beth Israel in Crown Heights, Brooklyn. Rabbi Shulman, ein leutseliger Mann mit einer dröhnenden Stimme, erklärte Stella, sie brauche nicht einen, sondern drei Rabbis für das so genannte Rabbinatsgericht, das den Scheidebrief, den get, aufsetzen und die Unterschriften darauf bestätigen konnte. Zufälligerweise sei er mit zwei Kollegen zum Sonntagsbrunch verabredet, der eine aus Manhattan, der andere aus der Bronx, aber beide, wie Shulman, orthodoxe Rabbis. Liebe Güte, ja, es sei zwar ungewöhnlich, doch der Ehemann könne den get auch in Abwesenheit der Ehefrau unterschreiben und das Dokument dann zur Unterschrift an den Rabbi der Frau in Israel schicken, erst dann sei die Scheidung gültig. Rabbi Shulman fragte Stella, wann sie und der betreffende Gatte in Crown Heights sein könnten, und sie verabredeten sich für den späten Nachmittag.
     
    Die drei Rabbis, die nach ihrem Brunch ein ganz klein wenig angeheitert wirkten, hielten Hof in Shulmans düsterem, mit Büchern voll gestopftem Arbeitszimmer im Erdgeschoss der Synagoge. Shulman, der Jüngste der drei, war glatt rasiert und hatte glänzende Wangen, die beiden anderen Rabbis hatten weiße Bärte. Alle drei trugen schwarze Anzüge und hoch auf der Stirn einen schwarzen Filzhut, was bei den beiden älteren Rabbis ganz normal aussah, bei Shulman aber unfreiwillig komisch wirkte. »Wer von Ihnen«, donnerte Shulman, wobei er den Blick von Samat zu Martin und wieder zu Samat wandern ließ, »ist der glückliche zukünftige Ex?«
    Martin, der die Tula-Tokarev in der Jackentasche umfasst hielt, stieß Samat nach vorne. »Nicht zu glauben«, sagte Samat leise, während er über den dicken Teppich ging, »dass du dir die ganze Mühe gemacht hast, nur um mich für eine Scheidung aufzuspüren.«
    »Sagten Sie

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