Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
habe mir gesagt, ich muss ein anderer Mensch werden«, erklärte Dante. »Bis dahin habe ich zwei Dosen Ganesh Beedies am Tag geraucht. Als ich am nächsten Morgen wach wurde, war ich jemand anders. Und dieser andere war Nichtraucher.«
    Der Iman dachte darüber nach. »Ich trage den schwarzen Turban eines sayyid, was mich als Nachfahre des Propheten Muhammad und seines Cousins Ali kennzeichnet. Ich habe zwei Frauen und werde mir bald eine dritte nehmen. Viele Menschen – meine Frauen, meine Kinder, meine Kämpfer – verlassen sich auf mich. Es wäre für alle unangenehm, wenn ich plötzlich jemand anderes wäre.«
    »Wenn ich so viele Frauen hätte wie Sie«, sagte Dante, »würde ich wahrscheinlich wieder mit dem Rauchen anfangen.«
    »Ob wir rauchen oder nicht«, erwiderte der Imam, mit einer Stimme, die so sanft war wie das Gurren einer Taube, »wir leben nur so lange, wie Gott uns leben lässt. Wie auch immer, Langlebigkeit ist für einen Gläubigen wie mich keine Inspiration.«
    »Was inspiriert denn einen Gläubigen wie Sie?«, hörte Dante sich fragen, obwohl er die Antwort bereits kannte. Benny Sapir, Spionagechef des Mossad, hatte Dante Pippen vor der Mission in einem sicheren Haus in Washington gebrieft, sogar die Stimme des Imams nachgeäfft, wie er abgedroschene Antworten auf religiöse Fragen lieferte.
    »Der Gedanke an den Engel Gabriel, der dem Propheten die Verse des Heiligen Korans ins Ohr flüstert, inspiriert mich«, sagte der Imam. »Muhammads Schilderung im Miradsch, das ihr ›Das Buch der Leiter‹ nennt, von seinem Aufstieg in die neun Himmelskreise und seinen Abstieg in die Hölle, geleitet vom Engel Gabriel, raubt mir nachts den Schlaf. Der Schöpfer, der Barmherzige, der Mitleidsvolle, der Erhabene inspiriert mich. Der einzig wahre Gott inspiriert mich, Allah inspiriert mich. Die Vorstellung, den Ungläubigen sein Wort zu überbringen und all die zu töten, die es nicht annehmen, inspiriert mich.« Er hielt seine Zigarette parallel zu den Lippen und nahm sie in Augenschein. »Und was inspiriert Sie, Mr. Pippen?«
    Dante grinste. »Das Geld, das Ihre Organisation auf mein Konto auf den Cayman-Inseln überwiesen hat, inspiriert mich, Dr. al-Karim. Die Aussicht auf monatliche Bezahlung für geleistete Dienste inspiriert mich. Sie brauchen gar nicht missbilligend den Kopf zu schütteln. Es wundert mich nicht, dass Sie unsere jeweiligen Inspirationen unvereinbar finden, wobei Ihre natürlich die edleren sind, meine um ein Vielfaches dekadenter. Da ich nicht an Ihren Gott glaube, genau genommen an gar keinen – ich bin nämlich ein ausgesprochen weltlicher Katholik –, halte ich Ihre Inspiration für ebenso vergänglich wie die Kondensstreifen, die ich auf der Fahrt von Beirut hierher gesehen habe. Erst waren sie noch da, ganz scharf und präzise, jeder vor sich einen silbernen israelischen Düsenjäger am kristallklaren libanesischen Himmel, und gleich darauf wurden sie breiter und trieben auseinander, bevor sie sich schließlich in den hohen Windströmungen auflösten.«
    Der Imam wirkte nachdenklich. »Ich sehe, Sie sind kein furchtsamer Mann, Mr. Pippen. Sie sagen, was Sie denken. Würde ein Muslim sich erlauben zu sagen, was Sie gesagt haben, würde er seine Gliedmaßen, vielleicht sogar sein Leben in Gefahr bringen. Aber wir müssen einem ausgesprochen weltlichen Katholiken gegenüber Nachsicht zeigen, erst recht wenn er einen so weiten Weg auf sich genommen hat, um unseren Fedajin beizubringen, wie man Bomben baut, damit sie die israelischen Besatzer im Libanon und in Palästina in die Luft sprengen können.« Er beugte sich näher zu Dante vor. »Unser Vertreter in Paris, der Sie rekrutiert hat, sagt, Sie stammen aus einer irischen Stadt mit dem seltsamen Namen Castletownbere.«
    Dante nickte. »Ein kleines Nest an der Südküste der Halbinsel Beara in Cork. Fischerort. Ich hab auf einem Fischkutter gearbeitet, bevor ich loszog, mein Glück da zu suchen, wo die Straßen mit Gold gepflastert sind.«
    »Und waren sie mit Gold gepflastert, Mr. Pippen?«
    Dante lachte leise. »Zumindest waren sie gepflastert, was man von einigen Teilen der Halbinsel Beara nicht behaupten kann. Oder vom Bekaa-Tal.«
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass es in Castletownbere ein teures Restaurant namens The Warehouse gibt?«
    »Es gab ein nicht ganz billiges Restaurant für die wenigen Touristen, die sich nach Castletownbere verirrten, aber das hieß nicht The Warehouse. Es hieß The Bank, weil es in

Weitere Kostenlose Bücher