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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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herausschlagen, Mr. Pippen, wenn Sie mir mit Ihren Talenten eine gewisse Erfolgsgarantie geben können. Unsere Hisbollahkämpfer sind mit konventionellen Waffen ausgerüstet und können den besser bewaffneten israelischen Soldaten im Süden des Libanon keine nennenswerten Verluste beibringen. Wir greifen sie mit Granatwerfern oder Artillerie an, feuern mitten aus irgendeinem libanesischen Dorf, damit die Israelis nicht zurückschlagen können. Ab und an gelingt es uns, einen oder zwei von ihnen zu verwunden oder zu töten. Für jeden, den wir töten, verlieren wir zwanzig oder dreißig Fedajin, wenn unsere Feinde, die über äußerst genaue Informationen verfügen, von ihren Festungen aus unsere Stützpunkte hier im Bekaa-Tal oder näher an den Frontlinien überfallen. Sie wissen anscheinend immer, wo und wie stark wir sind.« Der Imam schüttelte den Kopf. »Wir sind wie Wellen, die gegen die Felsen am Ufer schwappen – ich kann doch keine Kämpfer rekrutieren und ausbilden und in den Kampf schicken, indem ich ihnen sage, dass die Felsen in ein- oder zweihundert Jahren glatt gewaschen und kleiner geworden sind.«
    »Ich nehme an, deshalb haben Sie meine Dienste in Anspruch genommen«, sagte Dante.
    »Stimmt es, dass Sie Ihren Sprengstoff in nahezu jedem Behältnis verstecken können?«
    »Ja.«
    »Und Sie können ihn per Funk aus großer Entfernung zünden, müssen also keinen Elektrodraht auf der Erde verlegen?«
    Dante nickte mit Nachdruck. »Draht auf der Erde ist zwar zuverlässiger, aber per Funk gezündete Sprengladungen sind kreativer.«
    »Wäre es Ihrer Meinung nach möglich, die Sprengladungen als normale Steine am Straßenrand zu tarnen und sie, sagen wir, aus einem Kilometer Entfernung von einem Hügel aus zu zünden, wenn eine israelische Patrouille passiert?«
    »Kinderspiel«, erwiderte Dante.
    Der Imam schlug sich begeistert aufs Knie. »So Gott will, machen wir den Israelis den Garaus, Mr. Pippen. So Gott will, vernichten die Wellen, die ans Ufer schwappen, die Felsen noch zu meinen Lebzeiten. Und wenn wir mit dem nahen Feind fertig sind, wenden wir uns dem fernen Feind zu.«
    »Die Israelis sind offensichtlich der nahe Feind«, sagte Dante. »Aber wer ist der ferne Feind?«
    Dr. al-Karim blickte Dante in die Augen. »Sie, Mr. Pippen, sind der ferne Feind. Der Westen und seine amerikanische Zivilisation, die Rauchen für gesundheitsschädlich hält, aber alles andere – außerehelichen Sex, Pornographie, weltliche Begierden, Materialismus – für statthaft. Die Israelis sind ein Vorposten eurer korrupten Kultur. Die Juden sind eure Stellvertreter mit dem Auftrag, unseren Grund und Boden zu stehlen, unsere Länder zu besiedeln, unsere Seelen zu verderben und unsere Religion zu demütigen. Wenn wir sie besiegt haben, richten wir unser Augenmerk auf den größten Feind.«
    »Ich kann mir ja vorstellen, wie ihr euren nahen Feind angreifen wollt«, sagte Dante. »Aber wie wollt ihr Krieg gegen einen fernen Feind führen, der euch zerquetschen kann wie eine Mücke an der Wand?«
    Der Imam lehnte sich zurück, und ein vielsagendes Lächeln huschte über sein fleischiges Gesicht. »Mit den riesigen Geldsummen, die ihr uns für das Öl zahlt, das ihr für eure Benzin schluckenden Autos braucht, werden wir talentierte Leute wie Sie engagieren, Mr. Pippen. Die Köpfe der Amerikaner sind längst durch Hollywoodfilme und Hochglanzmagazine wie Playboy oder Hustler vergiftet. Wir werden ihre Körper vergiften. Wir werden ihre Flugzeuge entführen und sie in ihre Gebäude steuern. Wir werden mit eurer Hilfe die Bombe des armen Mannes bauen – Koffer voller Bakterien oder Chemikalien – und sie in ihren Großstädten explodieren lassen.«
    Dante nahm das Glas Minztee und führte es an die Lippen. »Dann geh ich wohl besser zurück nach Irland«, sagte er leichthin.
    »Wie ich sehe, nehmen Sie mich nicht ernst. Egal.« Der Imam schob seinen Ärmel hoch, schaute auf die Uhr und stand auf. »Sie werden heute Nacht schlecht schlafen, weil Sie über meine Worte nachgrübeln werden. Es werden Ihnen Fragen einfallen. Sie sind herzlich eingeladen, morgen wieder herzukommen und sie zu stellen, Mr. Pippen. So Gott will, setzen wir unser heutiges Gespräch fort.«
    Dante erhob sich. »Ja, ich komme wieder. Danke.«
    In den folgenden Tagen nutzte Dante die Materialien, die Abdullah aus Beirut mitgebracht hatte, und zeigte seinen Schülern, wie man ferngesteuerte Zünder baute und im Steinbruch angebrachte

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