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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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der alten Bank auf der Main Street untergebracht war, im ersten Stock. Zu meiner Zeit gab es da noch den Banktresor. Ich glaube, in den Sechzigern wurde es von einer Mary McCullagh betrieben. Ich bin mit einer Tochter von ihr zur Schule gegangen, ein hübsches Mädchen namens Deirdre, hinter der alle Jungs her waren, aber vergeblich.«
    »Nach einer Bombenexplosion in einem Bus vor dem Bush House, dem BBC-Gebäude in London, wurden Sie von Scotland Yard verhaftet.«
    »Ist das eine Frage oder eine Feststellung?«
    »Eine Feststellung, die ich gern bestätigt sähe, Mr. Pippen.«
    »Als der Bus in die Luft flog, saß ich in einem Londoner Pub vor meinem Bier«, sagte Dante mit arglos blinzelnden Augen. »Die Bullen kamen reingestürmt und haben jeden mitgenommen, der mit irischem Akzent sprach. Sie mussten mich nach achtundvierzig Stunden freilassen, weil sie nichts gegen mich in der Hand hatten. Die Arschlöcher haben sich nicht mal entschuldigt.«
    »Haben Sie den Bus in die Luft gesprengt, Mr. Pippen?«
    »Nein. Aber die beiden, die es getan haben, wurden von mir sozusagen angelernt.«
    Der Imam lächelte dünn. Nach einem Blick auf eine Wanduhr mit der Silhouette von Ajatollah Khomeini hievte er sich hoch und ging zur Tür, wo er sich umdrehte. »Ich habe selten Gelegenheit, mit einem Nichtgläubigen aus dem Westen zu sprechen, Mr. Pippen, noch dazu einem, der mich nicht fürchtet. Gespräche mit Ihnen werden aufschlussreich sein. Man muss den Feind kennen, bevor man ihn besiegt. Ich lade Sie in mein Arbeitszimmer ein, nach dem Nachmittagsunterricht, jeden Wochentag außer Freitag. Ich werde Ihnen Minztee und Honigkuchen anbieten, und Sie können sich erkenntlich zeigen, indem Sie mir Einblicke in die säkulare Denkweise gewähren.«
    »Es wird mir ein Vergnügen –«, setzte Dante an, doch der Imam war bereits durch die Gittertür verschwunden, die nun quietschend in den Angeln pendelte.
    Dante wurde in seine Unterkunft geführt, ein Hinterzimmer in einem der niedrigen Flachdachgebäude am Rande des Dorfes, das an das Hisbollah-Lager grenzte. Bei Sonnenaufgang brachte ihm eine ältere Frau, deren untere Gesichtshälfte verschleiert war, das Frühstück: eine dampfende Kanne grünen Tee, um den knochentrockenen Zwieback runterzuspülen, der mit einer öligen Paste aus zerdrückten Oliven bestrichen war. Dantes Bodyguard, der ihm auf Schritt und Tritt folgte, sogar aufs Klo, brachte ihn auf der unbefestigten Straße zum Steinbruch. Eine Schar kleiner Jungs in staubigen, gestreiften Gewändern war schon dabei, mit Steinwürfen ein paar Ziegen von der Umzäunung weg einen Hang hoch zu scheuchen. Eine gelbe Hisbollah-Flagge mit einer Hand, die ein Gewehr hoch hielt, flatterte an dem Fahnenmast des Backsteingebäudes, wo der Sprengstoff und die Zünder gelagert waren. Hoch oben malten israelische Jets auf ihren frühmorgendlichen Patrouillenflügen ein Netz aus Kondensstreifen an den Himmel. Dantes Schüler, neunzehn Fedajin, alle um die zwanzig, trugen die gleichen ausgebeulten Khakihosen, Uniformjacken und dicken Stoffgurte unter den Gewändern und warteten unten im Steinbruch. Ein alter Mann, eine rot-weiße Kefije über den Schultern, hockte auf dem steinigen Boden und stellte Kartons mit PETN bereit, dazu Latex, Rollen Elektrodraht und Tauchkolben, die mit Autobatterien betrieben wurden. »Ich, Abdullah, werde für Sie übersetzen«, sagte der Mann zu Dante, als der unten im Steinbruch ankam.
    Zuerst inspizierte er die Kartons, dann trat er gegen die Drahtrollen und Tauchkolben. »Wir brauchen moderne Zünder, die sich per Funk aus größerer Entfernung auslösen lassen«, teilte Dante Abdullah mit.
    »Aus welcher Entfernung?«, fragte Abdullah.
    Dante zeigte auf die Ziegen, die über die Kuppe des Hangs verschwanden. »Wir vermischen das PETN mit dem Latex«, sagte er, »wie das geht, werde ich gleich vorführen. Dann verstecken wir die Sprengladungen hier im Steinbruch, klettern da oben auf den Hügel und lösen die Sprengung aus.« Abdullah übersetzte für die Fedajin, und alle starrten sie hinauf zum Hügel. Sie redeten aufgeregt untereinander, blickten dann ihren Lehrer an und nickten respektvoll.
    Zu Anfang konzentrierte Dante sich auf das PETN und den Latex, zeigte den Hisbollah-Kämpfern, wie man beides miteinander vermischte und dann den knetbaren Sprengstoff so formte, dass er in jedes beliebige Behältnis passte. Einmal füllte er damit ein Kofferradio und schaltete es dann ein, um zu zeigen, dass

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