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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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besteht aus den Seelen der Alawiten, die in den Himmel aufgestiegen sind.«
    »Bis an mein Lebensende werde ich an Sie denken, wenn ich zur Milchstraße hinaufblicke«, sagte er.
    Sie schloss die Tür auf und trat beiseite. »In einer anderen Inkarnation«, erwiderte sie ernst, »wäre es bestimmt nett gewesen, mit Ihnen zu schlafen.«
    »Vielleicht, wenn das alles hier vorbei ist –«
    Diesmal lächelte Djamillha wirklich. »Das alles hier«, sagte sie bitter, »wird nie vorbei sein.«
     
    Zwei Tage nach seiner Rückkehr aus Beirut führte Dante seinen neunzehn angehenden Bombenattentätern gerade unten im Steinbruch vor, wie man die Bauchhöhle eines toten Hundes mit PETN füllte, als es oben am Tor laut wurde. Die Wachtposten zogen die Stacheldrahtrollen beiseite, Autohupen gellten, und zwei Pkw und ein Pick-up kamen in einer Staubwolke ins Lager gebraust. Als der Staub sich legte, zerrten zwei Bewaffnete, die die unverkennbare karierte Kefije der Hisbollah trugen, eine Person in einem weiten gestreiften Schlafanzug und mit einer Kapuze über dem Kopf aus dem zweiten Wagen, Frauen tauchten aus ihren Häusern auf und stimmten ein Triumphgeheul an. Abdullah hob den Saum seines Burnus und lief den Weg hinauf, bis er in Hörweite der bewaffneten Männer war, die die Fahrzeuge bewachten. Er rief ihnen eine Frage zu. Einer von ihnen antwortete ebenfalls lauthals und feuerte eine Salve aus seiner Kalaschnikow in die Luft. Abdullah wandte sich zum Steinbruch um, legte die Hände um den Mund und rief: »Gott ist groß. Sie haben einen israelischen Spion geschnappt.«
    Die angehenden Bombenleger fingen an, sich aufgeregt zu unterhalten. Dante, der plötzlich nervös geworden war, fuhr sie an, gefälligst aufzupassen. Die Schüler reagierten auf seinen barschen Tonfall, noch bevor Abdullah, der wieder zur Gruppe gestoßen war, übersetzen konnte. Dante, der an der rechten Hand einen Latexhandschuh trug, hatte jetzt die Eingeweide des Hundes durch einen Bauchschnitt herausgezogen und stopfte erst die mit Sackleinen umwickelten Päckchen PETN, dann den Funkzünder in die leere Höhle. Mit einer dicken Nadel und einem Stück Sehnenschnur nähte er die Öffnung mit weiten Stichen zu. Dann erhob er sich aus der Hocke, streifte den Latexhandschuh ab und wies Abdullah an.
    »Sagen Sie ihnen, sie sollen den toten Hund so legen, dass der Feind den Bauch nicht sehen kann, wenn er näher kommt.« Einer der Schüler hob die Hand. Abdullah übersetzte die Frage. »Er sagt, ist ein toter Hund wirkungsvoller als die Pappmachésteine, die wir an den Straßenrand gelegt haben?«
    »Sagen Sie ihm, die Griechen hätten den Trick mit dem Trojanischen Pferd auch nicht zweimal anwenden können«, erwidert Dante. »Sagen Sie ihm, das Gleiche gilt für die Israelis. Auf die falschen Steine mit Sprengstoff fallen sie bald nicht mehr rein. Dann muss man sich was Neues einfallen lassen. Ein toter Hund mitten auf der Straße ist so normal, dass die Israelis in ihren Jeeps keinen Verdacht schöpfen werden. Und dann –«
    Dr. al-Karim tauchte oben am Rand des Steinbruchs auf. Er hob ein Megaphon und rief: »Mr. Pippen, kommen Sie bitte, ich möchte mit Ihnen sprechen.«
    Dante salutierte lässig und stapfte den Pfad hoch. Auf halbem Weg blickte er auf und sah, dass einige bewaffnete Hisbollah-Kämpfer bei dem Imam standen. Sie hatten sich ihre karierten Kefijes über das Gesicht gezogen, sodass nur die Augen zu sehen waren. Außer Atem kam Dante oben an und ging auf Dr. al-Karim zu. Zwei der Bewaffneten luden ihre Kalaschnikows nach. Als er das metallische Geräusch der Patronenrahmen hörte, blieb Dante abrupt stehen. »Ihre Krieger machen einen nervösen Eindruck«, sagte er. »Was ist denn los?«
    Ohne zu antworten, drehte sich Dr. al-Karim um und steuerte auf sein Haus zu. Zwei der Hisbollah-Kämpfer stießen Dante den Lauf ihrer Gewehre in den Rücken. Er wurde ärgerlich. »Wenn ihr wollt, dass ich ihm folge, braucht ihr nur zu bitten. Höflich.«
    Gemächlich folgte er dem Imam zu dem großen Haus neben der Moschee. Auf der Rückseite war die Tür zu Dr. al-Karims Büro angelehnt. Einer der Bewaffneten hinter ihm deutete mit seiner Kalaschnikow auf die Tür. Achselzuckend stieß Dante sie mit der Schuhspitze auf und trat ein.
    Die Zeit schien in dem Raum stehen geblieben zu sein. Dr. al-Karim, dessen beleibter Körper auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch wie erstarrt wirkte, stierte fast ohne zu blinzeln auf die Person, die mitten im

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