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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Proviantmeister, der mit dem Rücken zu Dante saß, lachte leise, aber hörbar in sich hinein. Djamillha verzog keine Miene. »Du bist ein direkter Mensch, Ire«, sagte sie. »Die Antwort auf deine Frage lautet: Ja.«
    »Wie viel würde mich das kosten?«
    »Fünfzig US-Dollar oder den Gegenwert in irgendeiner europäischen Währung. Die hiesige Landeswährung nehme ich nicht an.«
    »Abgemacht«, sagte Dante. Er stieß mit ihr an und leerte sein Glas, dann nahm er die halb volle Flasche Bier (für den Fall, dass er eine Waffe brauchte) und folgte Djamillha nach oben in einen Raum, der einmal als Hauptbüro der Handelsfirma gedient haben musste. Vor den mit Brettern vernagelten ovalen Fenstern stand ein großer Schreibtisch mit einer Glasscheibe darauf, unter der Fotos von Kindern flach gedrückt wurden, und hinter einer riesigen Ledercouch hing ein eingerissenes Gemälde von Napoleons Niederlage bei Akkon an der Wand. Ein Dutzend zugeklebter Kartons ohne Beschriftung waren in einer Ecke gestapelt. Djamillha schloss die Tür hinter ihnen ab und setzte sich auf die Couch, wo sie durch eine aufgerissene Naht in das Polster griff und eine Mappe mit Luftaufnahmen im Format 18 x 24 herauszog. Dante nahm neben ihr Platz, ergriff die Fotos mit einem Taschentuch und studierte sie nacheinander. »Die müssen aus großer Höhe aufgenommen worden sein«, sagte er. »Die Auflösung ist phantastisch. Besser geht’s nicht.«
    Die Frau reichte Dante einen Filzstift, und er markierte diverse Gebäude im Lager mit Pfeilen und beschriftete sie. »Die Rekruten, insgesamt neunzehn Fedajin, sind in diesen beiden flachen Gebäuden nahe am Zaun untergebracht«, sagte er. »Sprengstoff und Zündschnüre lagern in dem kleinen Backsteingebäude mit der Hisbollah-Fahne auf dem Dach. Dr. al-Karim wohnt und arbeitet in dem Haus hinter der Moschee. Es ist bei weitem das größte im Dorf, also müssten eure Leute es mühelos erkennen. Ich weiß nicht, wo er schläft, aber sein Arbeitszimmer zeigt auf die Moschee, also schätze ich –«, er malte wieder einen Pfeil und schrieb »Ks Büro« daneben, »– hier. Ich bin bei einer Familie im Dorf untergebracht, in diesem Haus.«
    »Welche Sicherheitsmaßnahmen gibt es in der Nacht?«
    »Ich bin nach Einbruch der Dunkelheit ein paar Mal im Lager herumspaziert – sie haben eine Straßensperre, die mit zwei Rekruten und einem Ausbilder besetzt ist, und zwar hier an der Biegung, wo die Straße bergauf ins Dorf führt. Oben auf dem Hügel über dem Steinbruch steht ein Bunker mit einem schweren Maschinengewehr, da ist tagsüber ein Mann postiert. Abends konnte ich nicht da hoch, weil das Tor im Zaun abgeschlossen ist, und es hätte bestimmt Verdacht erregt, wenn ich um den Schlüssel gebeten hätte.«
    »Wir müssen davon ausgehen, dass der Bunker auch nachts besetzt ist. Sie wären blöd, wenn sie’s nicht täten. Das Maschinengewehr ist auf jeden Fall ein vordringliches Ziel. Wie sieht es mit ihren Kommunikationsmöglichkeiten aus?«
    »Kann ich nicht genau sagen. Ich habe keinen Funkschuppen gesehen, geschweige denn ein einziges Funkgerät. Aber oben auf dem Minarett der Moschee habe ich was entdeckt, das aussieht wie eine Hochfrequenzantenne. Irgendwo da müsste also ihre Technik untergebracht sein.«
    »Wir wollen keine Moschee bombardieren, also müssen wir da wohl ein paar Leute reinschicken. Hat Dr. al-Karim ein Satellitentelefon?«
    »Ich hab keins bei ihm gesehen, aber das heißt natürlich nichts.«
    »Wann ist der Ausbildungskurs zu Ende?«
    »Ich hab Dr. al-Karim gesagt, dass ich noch zehn Tage brauche.«
    »Was passiert dann?«
    »Die Teilnehmer gehen an die Front, um israelische Soldaten in der besetzten Pufferzone im Libanon zu töten. Und dann fängt ein neuer Anfängerkurs an.«
    »Wie viele Ausbilder und sonstige Mitarbeiter sind im Lager?«
    »Einschließlich Fahrer und Dr. al-Karims vier Leibwächtern, die ich gesehen habe, würde ich sagen, achtzehn bis zwanzig.«
    Djamillha ging die Fotos noch einmal durch, taxierte die Entfernungen zwischen den Gebäuden, die Lage des Tors im Umgrenzungszaun, die Wege im Dorf und im Hisbollah-Lager. Sie holte eine Militärkarte vom Bekaa-Tal hervor, um nachzusehen, wo in der weiteren Umgebung des Lagers noch zusätzliche Hisbollah-Truppen stationiert sein könnten. »Wenn der Einsatz beginnt, müssen Sie irgendwie zu dieser Stelle hier gelangen –« Sie zeigte auf einen Brunnen zwischen dem Dorf und dem Hisbollah-Lager. Sie reichte Dante

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