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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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getreten bin. Lassen Sie sich das von jemandem sagen, der die Erfahrung gemacht hat, Mr. Odum: Auf eine Landmine zu treten ist ein erhebendes Erlebnis. Von einer Sekunde auf die andere wirst du vom Boden gerissen und segelst durch die Luft. Wenn du wieder landest, hast du ein Bein weniger, und nichts – nicht dein Körper, nicht deine Seele – ist so wie vorher. Samat hat dafür gesorgt, dass ich in ein Moskauer Krankenhaus geflogen wurde. Er hat mir auch das künstliche Bein Made in USA beschafft. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich ein anderer Mensch geworden bin. Deshalb leite ich auch hier ein Lagerhaus voller Prothesen, die wir zum Selbstkostenpreis vertreiben.«
    »Und woher kommt der Name ›Soft Shoulder‹?«
    »Samat und ich sind einmal zusammen quer durch die USA gefahren«, erklärte Rabbani. »Mit einem dicken amerikanischen Wagen von Santa Fe in New Mexico nach New York. Unterwegs kam uns die Idee, künstliche Gliedmaßen für Kriegsopfer zu exportieren, zu erschwinglichen Preisen. Wir hatten eine kurze Pinkelpause gemacht, als wir das Projekt per Handschlag besiegelten. Neben dem Wagen am Straßenrand stand ein Schild mit der Aufschrift ›Soft Shoulder‹. Wir hatten da zwar noch keine Ahnung, dass das ›unbefestigter Seitenstreifen‹ hieß, aber wir fanden, das wäre ein passender Name für unser Unternehmen.«
    Die Sprechanlage summte. Rabbani drückte einen Knopf und blaffte gereizt: »Was ist denn nun schon wieder?«
    Mrs. Rainfields Stimme ertönte aus dem Lautsprecher. »Der Lkw für die Bosnienlieferung ist da, Mr. Rabbani. Ich hab ihn nach hinten zur Laderampe geschickt. Der Fahrer hat mir einen Scheck über die korrekte Summe gegeben.«
    »Fragen Sie in der Bank nach, ob der Scheck gedeckt ist. Rachid soll die Verladung überwachen.« Rabbani ließ den Knopf los und unterbrach die Verbindung. »Man kann gar nicht misstrauisch genug sein«, stöhnte er. »Jede Menge zwielichtige Händler machen mit Prothesen jede Menge Geld – über Konkurrenz, die die Ware zum Selbstkostenpreis anbietet, sind sie nicht gerade glücklich.« Er nahm den Zigarettenstummel aus dem Mund und schnippte ihn in einen Metallabfalleimer. »Wann waren Sie in Israel, Mr. Odum?«
    »Vor gut zehn Tagen.«
    »Sie haben Mrs. Rainfield gesagt, sie sollte mir ausrichten, dass Sie Samat aus Israel kennen. Warum haben Sie gelogen?«
    Martin begriff, dass viel davon abhing, wie er die Frage beantwortete. »Um hereingelassen zu werden«, sagte er. Er legte den Kopf schief. »Wie kommen Sie darauf, dass ich gelogen habe?«
    Rabbani zog ein riesiges Taschentuch aus der Tasche und wischte sich den Schweiß im Nacken unter dem Hemdkragen weg. »Als Sie dort waren, hatte Samat Israel bereits verlassen, mein Sohn.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Der alte Mann hob die knochigen Schultern. »Ich frage Sie nicht, woher Sie wissen, was Sie wissen. Seien Sie so nett und fragen mich auch nicht, woher ich weiß, was ich weiß. Samat ist aus Israel geflohen. Wenn Sie heute bei mir auftauchen, dann deshalb, weil Sie irgendwie an seine Telefonnachweise gelangt sind und gesehen haben, dass er öfter hier angerufen hat, obwohl die Telefonnachweise doch vernichtet wurden, soweit ich weiß. Ich frage Sie nicht, wie Sie das angestellt haben – die Telefongesellschaft darf nämlich die Adressen von Geheimnummern nicht herausgeben.«
    »Warum haben Sie mich reingelassen, wenn Sie wussten, dass das mit Samat gelogen war?«
    »Ich habe mir gedacht, wenn Sie so clever waren, mich zu finden, sind Sie vielleicht auch so clever, mich zu Samat zu führen.«
    »Willkommen im Club, Mr. Rabbani. Anscheinend will jeder, mit dem ich spreche, Samat finden.«
    »Die anderen wollen Samat finden, um ihn zu töten. Ich will ihn finden, um sein Leben zu retten.«
    »Wissen Sie, warum er aus Israel geflohen ist?«
    »Natürlich weiß ich das. Er ist aus dem gleichen Grund aus Israel geflohen, aus dem er nach Israel geflohen ist. Tschetschenische Killer sind hinter ihm her. Schon seit den blutigen Bandenkriegen in Moskau. Das Gleiche gilt für den Oligarchen – Sie sind schlau, das muss ich Ihnen lassen, aber nicht so schlau, dass Sie von ihm gehört haben.«
    Martin konnte nicht widerstehen. »Samats Onkel. Tsvetan Ugor-Shilow.«
    Der alte Mann lachte, bis das Lachen in krächzendes Husten umschlug. Speichel tröpfelte ihm aus einem Mundwinkel. Er tupfte sich den Mund mit dem Taschentuch ab, während er nach Luft schnappte. »Sie sind ja oberschlau.

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