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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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unscharfes Foto befunden, das einen als Ibrahim bin Daoud bekannten Ägypter im Gespräch mit einem Mann zeigte, den man als Hisbollah-Agenten identifiziert hatte. Das Bild war im Jahr zuvor mit Teleobjektiv vor dem Maksoud Plaza Hotel in São Paulo aufgenommen worden. Es zeigte deutlich die lange, feine Nase und den säuberlich gestutzten grauen Bart, auffällige Merkmale des Ägypters, der jetzt auf der Fensterbank ihm gegenüber saß.
    Leroy, der sich auf dem ungemachten Bett in dem Zimmer über einer Kneipe in Ciudad del Este ausgestreckt hatte und die dreckigen Stiefelabsätze in die Matratze bohrte, nickte dem Ägypter emphatisch zu. »Der hat garantiert eine Whitworth«, bestätigte er.
    Lincoln hoffte, dass er und der Texaner sich über das gemeinsame Hobby des Waffensammelns näher kommen würden. »Ein Jammer das mit der Whitworth von Ihrem Daddy«, sagte er. »Ich wette, die vom FBI hatten nicht den leisesten Schimmer, was für eine kostbare Trophäe sie da abgeschleppt haben.«
    »Die waren so dämlich, die hätten nicht mal den Unterschied zwischen Strass und echten Brillianten erkannt«, pflichtete Leroy bei.
    Lincoln blickte den Ägypter an. »Um Ihre Frage zu beantworten, von der Whitworth und meinen anderen Gewehren war es nicht mehr weit bis zu Kalaschnikows und TOW-Panzerabwehrraketen mit Granaten und Munition und allem, was sonst so dazugehört. Ist wesentlich lukrativer, als an einem Junior College zu unterrichten.«
    »Wir wollen keine Kalaschnikows und TOW-Raketen«, sagte der Ägypter kalt.
    »Er interessiert sich nicht für AK-47 und TOWs«, erklärte der Texaner. »Jetzt, wo das kommunistische Russland mit einem Fuß im Grabe steht, stolpert man hier im Dreiländereck förmlich über solche Waffen. Er interessiert sich für Semtex und Ammoniumnitrat, so um die fünfunddreißig Tonnen davon, genug, um einen von diesen großen Umzugslastern zu füllen. Wir zahlen Cash auf die Hand.«
    Lincoln nahm den Ägypter genauer in Augenschein. Er war ein dürrer Mann mit einem runden, pockennarbigen Gesicht und hochgezogenen Schultern, vermutlich Ende fünfzig, obwohl der graue Bart ihn möglicherweise älter machte, als er war. Das obere Drittel seines Gesichts war hinter einer dunklen Sonnenbrille verschwunden, die er trug, obwohl die Jalousien in dem schäbigen Raum geschlossen waren. »Semtex in kleinen Mengen ist kein Problem. Ammoniumnitrat in jeder beliebigen Menge ist auch kein Problem«, sagte er. »Sie wissen vermutlich, dass Ammoniumnitrat als Düngemittel benutzt wird – mit Diesel oder Heizöl vermischt ist es hochexplosiv. Knifflig wird es, große Mengen zu kaufen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, aber darauf sind meine Partner und ich spezialisiert. Wohin sollen wir liefern?«
    Leroy lächelte mit einem Mundwinkel. »Auf die New-Jersey-Seite des Holland-Tunnels, wo genau, erfahren Sie noch.«
    Lincoln hörte den Muezzin – nicht vom Band, sondern live –, der die Gläubigen zum Mittagsgebet rief, was bedeutete, dass man ihn irgendwo in Hörweite der einzigen Moschee in Ciudad del Este gebracht hatte. Als Leroy ihn vor der Moschee von Foz do Iguaçú abgeholt hatte, war er in den Fond eines Mercedes hineinbugsiert worden, wo er eine geschwärzte Skibrille aufsetzen musste, die auf dem Rücksitz lag. »Bringen Sie mich zu dem Saudi?«, hatte er Leroy gefragt, während der Wagen eine Dreiviertelstunde lang kreuz und quer durch die Gegend fuhr, um ihn zu verwirren. »Ich bringe Sie erst zum Ägypter des Saudis«, hatte Leroy geantwortet. »Wenn der Ägypter Sie abnickt, werden Sie zum Saudi gebracht, vorher nicht.«
    Lincoln hatte gefragt: »Und wenn er mich nicht abnickt?« Leroy, der vorn neben dem Fahrer saß, hatte geschnaubt. »Dann verfüttert er Sie an das Krokodil, das er sich im Swimmingpool hält.«
    Jetzt konnte Lincoln spüren, wie Daoud ihn durch seine dunkle Sonnenbrille taxierte. »Wo haben Sie sich das Bein verletzt?«, fragte der Ägypter.
    »Autounfall in Zagreb«, sagte Lincoln. »Die Kroaten fahren wie die Verrückten.«
    »Wo wurden Sie behandelt?« Daoud sammelte Einzelheiten, die er nachprüfen könnte.
    Lincoln nannte eine Klinik am Rande von Triest.
    Der Ägypter warf Leroy einen Blick zu und zuckte die Achseln. Dann fiel ihm noch etwas ein. »Wie, sagten Sie, war der Titel von Ihrem Buch über Fredericksville?«
    »Fredericksburg«, berichtigte Leroy.
    »Das habe ich noch gar nicht gesagt«, erwiderte Lincoln. »Der Titel war das Beste an dem Buch. Ich habe es

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