Die Kalte Sofie
Pförtner vorbei, gefolgt von Joe.
»Am besten geb ich die Sachen gleich für Spike ab, damit er das Zeug analysieren lassen kann. Du hast ja jetzt erst anderes zu tun.«
Spike? Joe schien Stefan Moosbichler, den Obduktionsassistenten mit dem spektakulären Köperschmuck, ja richtig gut zu kennen!
Sofie ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken, nickte dankend und verschwand mit den beiden jungen Frauen in Richtung Untersuchungsräume, während die junge Polizistin bei Joe stehen blieb.
»Servus, Kollege. Was treibst du denn hier an deinem freien Tag?«
Betont harmlos zuckte Joe mit den Schultern. »Mei, unsereiner ist doch immer im Dienst. Oder ned?«
Mit einem Seitenblick deutete er auf den streng riechenden Beutel in seiner Hand und bemühte sich, ihn so weit weg von ihr zu halten wie nur irgend möglich.
»Habts wieder mal Ärger mit irgend so einem Schwein?«
Sie nickte ernst.
»Ganz a komische Gschicht«, erwiderte sie. »Des Madl hat sich am Isarufer gesonnt, als sie plötzlich von irgend so einem Typen aus dem Hinterhalt überfallen wurde.«
»Hat er etwa … Ich mein …«
Die Polizistin schüttelte den Kopf. »Wie’s aussieht, hatte er ganz sicher vor, Laura zu vergewaltigen. Aber dann hat ihm jemand einen Ast über den Schädel gezogen und ihn schachmatt gesetzt. Zum Glück hat des Madl sich sofort aufrappeln und losrennen können.«
»A anonymer Helfer also«, bemerkte Joe. »Der könnt euch ja vielleicht bei der Fahndung weiterhelfen. Wie sah er denn aus?«
»Groß. Schlank. Dunkler Hoodie. Offenbar sehr flink.« Sie zuckte die Achseln. »Mehr hat sie leider nicht erkennen können.«
»Und der Täter?«
Erneut schüttelte die junge Polizistin den Kopf. »Fehlanzeige. Laura war wie gelähmt vor Angst, wie die meisten Frauen in so einer Situation«, sagte sie ernst. »Oft können sie sich erst viel später an die Details erinnern – wenn überhaupt. Die meisten verdrängen alles und tun so, als wär gar nichts passiert. Oder sie trauen sich nicht, zur Polizei zu gehen, weil sie sich schämen. Zum Glück hat Lauras Freundin sie dazu überreden können, sofort zu uns zu kommen.«
Plötzlich zog sie die markante Nase kraus.
»Was riecht hier eigentlich so heftig?«
»Des willst du gar ned so genau wissen, Aylin. Glaub’s mir!« Joe schmunzelte betont munter. »Eine spannende kleine Aufgabe für die Kollegen im Labor.«
Die Polizistin schenkte ihm ein kurzes Lächeln, das ihre dunklen Mandelaugen noch betonte. Dann wurde sie wieder ernst.
»Ich geh jetzt am besten auch zu Laura«, sagte sie. »Hoffen wir mal, dass die Ärztin noch mehr rausfindet.«
»Des Madl ist bei der Doktor Rosenhuth in allerbesten Händen«, sagte Joe, bevor er sich auf den Weg nach oben machte. »Und ich weiß nur zu genau, wovon ich spreche.«
Irgendjemand hatte wohl gemeint, dass Wände in sonnigem Gelb Albträume erträglicher machen. Vermutlich waren deshalb der Raum mit dem gynäkologischen Stuhl wie auch die angrenzenden Zimmer, in denen Malsachen und Spielzeug bereitlagen, in diesem Farbton gehalten. Doch nicht einmal die wärmsten Farben oder Worte vermochten solche Wunder zu vollbringen.
Sofie verhielt sich in solchen Fällen professionell zurückhaltend, aber einfühlsam. Wie sie herausgefunden hatte, war das die beste Methode, um Opfer nicht noch mehr einzuschüchtern, sondern sie zum Reden zu bringen.
Aufmerksam nickte sie der Polizistin zu, die gerade eingetreten war. Dann wandte sie sich wieder dem jungen Mädchen vor ihr zu, das sich inzwischen etwas beruhigt hatte.
»So, Laura. Bevor ich dich untersuch, wollen wir dich erst maI genauer anschauen.«
Sofies konzentrierter Blick wanderte von Lauras Kopf zu ihren Händen.
Tatsächlich. Da war doch was!
»Du hast da Blut unter den Nägeln – links übrigens auch.«
»Weil ich das Schwein ordentlich gekratzt habe!« Lauras Stimme, bis dahin leise und von Schluchzern unterbrochen, wurde laut. »Am liebsten hätt ich ihm die Augen ausgekratzt. Aber er hatte ja diese widerliche Sonnenbrille auf, so eine mit verspiegelten Gläsern. Nix hab ich erkennen können.«
Sie begann zu zittern und verbarg den Kopf in den Armen ihrer Freundin, während Sofie vorsichtig das Blut unter Lauras Fingernägeln herausschabte.
»Immerhin etwas«, meinte Sofie nachdenklich und verwahrte die Probe sorgfältig. »Falls wir seine DNA in der Strafkartei haben, ist er fällig.«
»Und wenn nicht?«, brauste die Freundin auf. »Kann der Typ dann etwa weiter frei
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