Die Kalte Sofie
geschafft – ein absoluter Rekord!
Der Mittagsverkehr brandete um sie her, untermalt vom ohrenbetäubenden Knattern zahlloser Presslufthämmer.
Die trostlosen Wohnblocks mit Schallschutzfenstern wirkten grau, kantig und unpersönlich neben den wenigen noch verbliebe nen freundlichen kleinen Herbergshäusern. Dazu die lärmende Großbaustelle gegenüber der Tela-Post, wo ein riesiges Monstrum mit jeder Menge Läden, Büros und Gewerbeeinheiten entstand. Um die Shopping-Meile entlang der Tegernseer Landstraße kam man als Obergiesinger zwar nicht herum; in diesem Verkehrslärm zu leben war jedoch sicher nicht gerade ein Vergnügen.
Die idyllischen Isarauen schienen von hier oben wie Lichtjahre entfernt, dennoch waren sie mit dem Fahrrad in gerade mal fünf Minuten zu erreichen. Sofie stutzte und stieg ab.
Die – Isar!
Wenn sie sich recht erinnerte, war bei ihrer Recherche nach dem Hundebesitzer eine Adresse gleich hier in der Nähe angegeben gewesen. Nachdem Joe sich bis jetzt nicht bei ihr gemeldet hatte, lag allerdings nahe, dass er den Richter immer noch nicht erreicht hatte.
Und selbst wenn. Die offiziell verwertbare Analyse einer von höchster Stelle genehmigten DNA -Probe dieses Mistkerls – Ex traktion aus den Zellen, Vervielfältigung, Auftrennung und Aus wertung bis zum fertigen Code inklusive eventuell notwendiger Wiederholungen – würde auf jeden Fall bis morgen dauern. Eine einstweilige U-Haft würden sie für diesen Zeitraum wohl kaum bekommen. Damit würde dem Typen Zeit genug bleiben, seine Sachen zu packen und abzuhauen.
Es sei denn …
Mit einem Schlag war der flauschige, bezaubernde Kaschmirpullover vergessen.
Hastig zückte Sofie ihr Handy und ermittelte Gfeiters genaue Adresse. So ein Smartphone hatte eben doch etwas für sich, sosehr sie sich vor einem Jahr noch darüber mokiert hatte.
Fünf Minuten später stand sie keuchend vor dem düsteren Mietshaus in der Ichostraße, das schon bessere Tage gesehen hatte, und drückte auf den Klingelknopf. Eine unfreundliche weibliche Stimme meldete sich durch die knarzende Sprechanlage.
»Hallo?«
»Grüß Gott. Sprech ich mit Frau Gfeiter?«
»Mit wem denn sonst. Was is?«
»Ich hätt gern Ihren Mann gesprochen. Ist er denn zu Haus?«
»Ja glauben denn Sie, der Saubazi hätt nix Besseres zum tun, als mir und den beiden Schrazn auf die Nerven zu gehn? Um die Uhrzeit is der Wolfi natürlich scho längst wieder im Gschäft, wo denn sonst?«, keifte die unsichtbare Frau Gfeiter.
Logisch. Darauf hätte Sofie allerdings auch selbst kommen können. Trotzdem bedankte sie sich in die bereits verstummte Sprechanlage hinein, schwang sich erneut aufs Fahrrad und fuhr in Richtung Spedition los.
Untere Grasstraße, rechts am Alpenplatz vorbei in die Edel weißstraße. Lieblich-ländliche Namen für die steinerne Ansamm lung ehemaliger Arbeitersiedlungen, deren Ausverkauf schon längst im Gange war.
Unterwegs kamen Sofie Zweifel. Und wenn sie Gfeiter in seiner Firma antraf – was dann?
Ihn verhaften?
Schmarrn!
Ihn zur Rede stellen?
Spinn dich aus, Frau Rosenhuth!, schimpfte sie sich selbst, bog aber dennoch zielstrebig in die St.-Bonifatius-Straße ein.
Vielleicht war er ja auch schon längst über alle Berge? Aus Angst vor diesem geheimnisvollen Unbekannten, der ihm offensichtlich an den Kragen wollte?
Sofie legte einen Zahn zu.
Das war’s.
Ja, sie wusste, es war völlig verrückt. Aber sie musste sich einfach selbst davon überzeugen, dass dieses Schwein noch nicht die Koffer gepackt und sich still und heimlich aus dem Staub gemacht hatte.
Womit die eigentliche Frage immer noch nicht geklärt wäre, höhnte die Stimme in ihrem Kopf. Falls er da ist, willst du dann mit ihm ganz harmlos über die Umzugskartons reden, die du im Übrigen immer noch nicht ausgepackt hast, wenn ich das ganz nebenbei bemerken darf?
Sofie nickte grimmig. Danke für den Tipp! Genau das würde sie tun.
Mit einem eleganten Schwung bog sie auf den heruntergekommenen Firmenparkplatz der Spedition ein, stieg ab und sah sich um.
Keine Menschenseele. Nur zwei ziemlich verrottete Lastwagen.
Vielleicht im Speditionsbüro?
Fehlanzeige. Die Tür war abgesperrt.
Was hatte sie auch erwartet? Der »Umzugsfuchs« war wahrscheinlich irgendwo mit seinen Packern unterwegs und schulterte gerade ein Klavier oder transportierte einen kompletten Haushalt von A nach B.
Missmutig wandte sie sich um und trottete zurück auf den Hof, während sie einen Blick auf ihre Uhr
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