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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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Herr Hünges möchte ihm persönlich die Bedeutung der Angelegenheit für die Kommune erläutern.«
    »Kaufangebot? Wozu braucht die Kommune unsere Grundstücke?«
    »Wir haben die Anfrage eines Investors, Wohngebiet zu erschließen. Herr Hünges hat das Projekt zur absoluten Chefsache erklärt.«
    »Das hört sich toll an.« Wolf warf einen Blick aus dem Fenster, wo sich Anna allein dem Ansturm der Kunden entgegen stellte. »Um wie viele Quadratmeter geht es denn?«
    »Über die Details sollte Herr Hünges Ihren Schwiegervater dann unterrichten.«
    »Natürlich. Da ist meine Begeisterung über die Neuigkeit mit mir durchgegangen.« Wolf lächelte. »Die Region braucht wirtschaftlichen Aufschwung, braucht Investitionen. Ich finde es vorbildlich, wie sehr sich der Bürgermeister einsetzt.«
    »Die Gesamtfläche sind siebzigtausend Quadratmeter«, sagte Frau Schiefner-Wallner. »Knapp die Hälfte davon ist in Privatbesitz.«
    »Ist denn schon verhandelt worden?«
    »Ja, ein Grundstücksbesitzer hat dem Kaufvertrag sofort zugestimmt. Herr Hünges möchte Herrn Verhoeven nun gern persönlich überzeugen, nachdem Ihr Schwiegervater den Sachbearbeiter der Entwicklungsgesellschaft, nun, ich drücke es mal so aus, etwas brüsk abgewiesen hat.«
    »Es gab schon einen Termin?«
    »Nein. Ein Telefonat in der letzten Woche. Ein sehr kurzes Telefonat, wie ich hörte.«
    »Dann müssen wir uns dringend mit Herrn Hünges zusammensetzen. Ich schlage vor, gleich morgen. Ginge es um Zehn?«
    »Ich kläre das ab. Aber . . . wird Ihr Schwiegervater denn bis morgen wieder gesund sein?«
    »Doch, davon gehe ich aus«, sagte Wolf.
    Konrad und Gesa würden sich noch wundern. Nun nahm er die Sache in die Hand. Aber das sagte er der Sekretärin nicht.
     
    Das Rolltor von Graupners Halle war hochgefahren und Licht ergoss sich über die Steinfliesen in das angrenzende Feld. Jemand, den Gesa nicht erkennen konnte, saß im Führerstand des Highlanders und rangierte ihn auf einen Platz an der Hallenwand. Der Motor wurde ausgestellt, ein Mann verließ die Halle. Nun erkannte sie ihn, es war Rocco.
    Gesa blieb im Schatten stehen. Es ging nicht. Was für eine absurde Idee, Rocco Graupner um Hilfe zu bitten! Sie hatte nicht nachgedacht. In ihrer Verzweiflung war es ihr so logisch erschienen: Sie brauchte eine Halle, dort stand eine Halle. Aber den Riesenhaken an der Sache hatte sie verdrängt. Sie würde vorher mit einem der Graupners sprechen müssen.
    Ein Bild aus der Vergangenheit kam ihr in den Sinn. Ein postkartenblauer Himmel, ein Gummiplanschbecken, Pflaumenkuchen mit Schlagsahne . . . Es war ein Sommernachmittag im Garten der Nachbarn gewesen. Es gab zu wenige Stühle, und sie hatte bei Herbert Graupner auf dem Schoß gesessen, bis Rocco von einer Wespe in den Arm gestochen worden war. Er hatte zu schreien begonnen, so dass alle Erwachsenen aufgesprungen waren. Rocco hatte sich früher oft angeschlichen, wenn sie mit Juliane in einem ihrer Verstecke hockte, und die Mädchen geärgert oder erschreckt. Insgeheim wäre er sicher gern Mitglied in ihrer Bande gewesen, aber als Junge, noch dazu drei Jahre jünger, hatte er bei ihnen keine Chance gehabt.
    Rocco drückte auf einen Knopf an der Wand. Mit einem sonoren Brummen fuhr das Tor zu. Jetzt blickte er in ihre Richtung. Er hatte sie entdeckt. Gesa näherte sich und trat in den langsam schwindenden Lichtkegel vor dem Tor. Rocco stand breitbeinig in seiner Lederkluft und verschränkte die Arme. »Na schau an. Besuch von den Nachbarn. Was verschafft uns die Ehre?«
    Gesa versuchte ein Lächeln. »Hallo Rocco. Lange nicht gesehen.«
    »Tja, stimmt. Kommst auch nicht mehr raus aus deinem Loch, oder?«
    »Nicht viel. Was macht deine Band?«
    »Super. Wir sind bei ‚Kaarst Total’ aufgetreten. Auf der Moll-Bühne. Der Mob hat getobt.« Rocco imitierte ein paar Gitarrengriffe.
    »Schade, das wusste ich nicht, sonst wäre ich . . .«
    Das Rolltor schloss sich mit einem abschließenden Knacken. Ihnen blieb das Licht des Strahlers an der Außenwand der Halle. Es warf tiefe Schatten in Roccos Gesicht.
    »Schön, so ein Plauderstündchen«, sagte er. »Kann dir leider nichts anbieten.«
    Gesa holte Luft. »Könnte ich bei euch in der Halle etwas lagern? Bis Januar?«
    Rocco zog eine Augenbraue hoch. »Was denn? Marihuana?« Er brach in ein meckerndes Gelächter aus.
    »Zapfen. Zehn Säcke à fünfzig Kilo.«
    Roccos Lächeln erstarb. Er kam näher, bis er dicht vor ihr stand, so dicht, dass Gesa seinen

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