Die Kalte Zeit
lassen!«
»Das wäre mir ehrlich gesagt schnuppe«, knurrte Wolf.
»Wir müssen die Zapfen in unsere Halle zurückbringen«, sagte Gesa.
Wolf schnaubte. »Die Typen lassen sich nicht noch mal von mir zu unserer Halle schicken. Eher schlagen die mich krankenhausreif.«
Beide schwiegen ratlos. Gesa bemerkte erst jetzt, wie stark es unter ihrem linken Auge schmerzte. Sie betastete die Stelle. Das Gewebe schwoll an.
Wolf legte sich ins Bett. »Ich kann nicht mehr denken. Mein Kopf tut so verdammt weh.« Es vergingen keine drei Minuten und er war in den Schlaf gefallen wie in ein Koma.
Gesa ging in Felix’ Zimmer. Sie kuschelte sich an seinen warmen Körper und lauschte seinen gleichmäßigen Atemzügen.
Früh stand sie auf, es war noch dunkel. Sie machte kein Licht in der Küche. Sie wusste, wo sich die Visitenkarte befand. Sie lag offen auf der Anrichte, sichtbares Zeichen dafür, dass es keinerlei Heimlichkeiten gab. Regionalkommissar Lars Schäffer hatte der Geschädigten Gesa Hendricks seine Karte dagelassen. Genau wie vorher ihrem Mann.
Sie hatte wach gelegen und gegrübelt, Wolfs Stimme im Ohr: keine Polizei. Natürlich nicht. Das war viel zu gefährlich. Wenn Felix etwas zustieß! Andererseits – war es nicht noch gefährlicher, sich diesen Typen auszuliefern, ohne Hilfe, ohne Unterstützung?
Sie würde Lars anrufen. Nicht den Polizisten Lars Schäffer, sondern ihren . . . Freund. Lover, Liebhaber, höhnte die Stimme in ihrem Inneren.
Gesa atmete durch und wählte. Es war wirklich noch sehr früh, Fünf Uhr dreißig. Es klingelte achtmal, Gesa wollte schon aufgeben, da meldete sich Lars’ verschlafen klingende Stimme. »Schäffer?«
»Es tut mir leid, dich zu wecken.« Sie merkte, wie brüchig ihre Stimme klang. Brüchig und hysterisch.
»Gesa? Bist du das? Was ist los?«
»Hier ist was passiert. Wolf ist in der Nacht zusammengeschlagen worden. Und ich . . . ich habe Angst.«
»Zusammengeschlagen? Von wem?«
»Das . . . weiß er nicht.«
»Willst du, dass ich vorbeikomme?«
Gesa schrie stumm den Hörer an. Ja, bitte komm. Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht weiter. Nimm mir alles ab. Entscheide für mich, was zu tun ist.
Doch sie sagte: »Ich bin nicht sicher, ob das gut ist.«
Eine halbe Stunde später stand Lars vor der Tür. Sein Gesicht versteinerte, als er Gesa sah. Sie war selbst erschrocken gewesen, als sie in den Spiegel gesehen hatte. Der Versuch, das geschwollene blaue Auge mit Make-up zu überschminken, war nicht sehr erfolgreich gewesen.
»Wer war das?«, fragte Lars.
Gesa senkte den Kopf. »Komm erst mal rein.«
Lars packte ihr Handgelenk. »Wer war das?«
»Wolf. Aber er hat sich entschuldigt. Er stand extrem unter Stress.«
Lars musterte sie. »Wo ist er?«
»Oben. Er schläft noch.«
Lars schob sie zur Seite und ging vor ihr die Treppe hoch.
»Lars, warte doch mal.« Gesa überholte ihn im Flur und schaffte es, ihn in die Küche zu lotsen. Sie schaltete die Neonlampe an der Decke ein. Lars sah blass und müde aus, war nicht rasiert und trug ein ungebügeltes Hemd. Gesa wusste gar nicht, wo er jetzt wohnte, er war ja sicher von zuhause ausgezogen. Sie hatte ihn nicht danach gefragt.
»Ich mach uns erst mal Kaffee«, sagte sie und öffnete den Deckel der Maschine, um Wasser nachzufüllen.
»Lass doch.« Lars trat zu ihr. »Du hast mich angerufen, weil Wolf etwas passiert ist. Nun komme ich hier an und sehe, dass du brutal geschlagen wurdest. Ich will wissen, was hier los ist!«
Gesa wich seinem Blick aus. »Wolf war gestern bei der Weihnachtsfeier seines Schützenzuges. Und als er nach Hause fahren wollte, haben ihn drei Männer überrascht. Sie haben ihn gezwungen, in ihr Auto zu steigen. Draußen auf den Feldern musste er aussteigen, und sie haben ihn verprügelt.«
»Und er kennt die Typen nicht?«
»Nein.« Gesa hoffte, ihre Stimme klänge fest und glaubwürdig. »Er hat nur gesagt, einer von ihnen wäre Ausländer.«
»Was für ein Ausländer? Hatte er einen Akzent?«
»Ja, Wolf meint, er könnte Osteuropäer sein.«
»Was wollten sie denn von Wolf?«
»Ich weiß nicht. Geld vermutlich.«
»Hältst du mich für bescheuert?«
Gesa sank auf einen Küchenstuhl.
»Hey.« Lars setzte sich ihr gegenüber und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Was ist wirklich passiert?« Er wollte ihre Hand nehmen, doch sie presste beide Arme gegen den Körper. »Du kannst mir vertrauen.«
Gesa schüttelte stumm den Kopf. Wie gern würde sie es tun. Ihm alles
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