Die Kalte Zeit
erkennen zu können.«
Wolf spürte Gesas bohrenden Blick. Sie wusste, wer so einen Ohrring trug. Aber das war ihm egal. Schäffer sollte was zum Nachdenken haben.
»Und weiter?«, bohrte der Kommissar. »Was haben die Männer gesagt? Wie ist das Ganze abgelaufen?«
»Sie haben mich vor dem Brauhaus abgefangen, in ihr Auto gezwungen und sind Richtung Buscherhöfe raus gefahren auf die Felder. Da haben sie mich zusammengeschlagen und mir die Brieftasche abgeknöpft.«
Schäffer legte die Zeigefinger an die Nasenflügel und massierte sie. »Gesa hat mir gesagt, dass Sie gewarnt wurden, die Polizei einzuschalten, weil dann Felix etwas angetan werden soll. Ich bin privat hier. Aber ich kann nicht helfen, wenn Sie mir nicht die Wahrheit sagen.« Schäffer blickte Wolf offen in die Augen. Das Funkeln war verschwunden. »Ich dränge mich nicht auf. Ich biete es nur an.«
Wolf ließ sich ins Kissen zurück sinken. Er war sich gar nicht sicher, ob er mit Guram und seinen Schlägern allein klar kam. Er hatte sich das alles viel leichter vorgestellt. Er hatte Guram die Zapfen übergeben wollen, und es hatte so aussehen sollen, als hätte Guram ihn mit Gewalt dazu gezwungen. Doch der Plan war schief gegangen. Gurams Drohung, sich an seinem Sohn zu vergreifen, kam Wolf nun, im hellen Morgenlicht, so unwirklich vor. Aber wer weiß. Die ganze Angelegenheit war außer Kontrolle geraten. Und Wolf war allein mit dem Problem. Das schmerzhafte Pochen in seiner Schläfe setzte wieder ein.
Nein, egal, was auch geschah, Lars Schäffer würde er niemals um Hilfe bitten. Im Gegenteil: Er würde ihn im Auge behalten. Und wenn da was dran war, dass Schäffer und Gesa heimlich herumturtelten, dann würde er Schäffer fertig machen. Er würde ihn so vermöbeln, dass der es niemals vergessen würde. Die Wut schlug Wellen in Wolfs Magen. »Wir brauchen Ihre Hilfe nicht«, sagte er.
Schäffer hatte ihn die ganze Zeit angesehen, mit diesem ‚Ich durchschaue dich’-Blick. Nun wandte der Polizist sich an Gesa. »Meine Nummer hast du ja. Ich bin erreichbar, wenn etwas ist.«
»Ich bringe dich raus.« Gesa drehte sich um, ohne Wolf anzusehen.
Gesa ging voraus durch den Hausflur. An der Garderobe nahm Lars seinen Mantel und zog ihn über.
Gesa sah zu ihm auf. »Kannst du irgendwas tun? Kannst du uns helfen?«
»Ich lasse mich nicht gern verarschen. Warum hat Wolf dich geschlagen?«
Gesa sprach leise und schnell. »Weil ich ihm nicht geglaubt habe. Wolf behauptet, die Typen wollten meine Zapfen haben. Einer der Männer heißt angeblich Guram und ist Georgier. Ich dachte, Wolf erfindet das, weil er mich hindern will, meine Pläne mit den Samen umzusetzen.« Sie holte tief Luft. »Mein Vater hatte ein Angebot von der Kommune. Die wollen unser Land kaufen. Auch die Fläche mit den alten Nordmännern. Wolf sagt, Konrad hätte abgelehnt. Aber Wolf will das Geschäft nun durchziehen.« »Gesa!« Wolfs Stimme hallte durch den Flur. »Gesa!«
»Was ist? Ich bin gleich da«, rief sie nach oben.
Lars fasste sie an der Schulter und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Ich werde dir helfen. Du musst nur eines tun – mir vertrauen.« Er zog sie an sich und küsste sie. Seine Lippen waren kühl. Gesa erwiderte den Kuss, doch ihr Körper verspannte sich. Wenn Wolf aufgestanden war und sich über das Treppengeländer beugte!
Lars drückte Gesa in das weiche Bett der Mäntel, eine Woge muffige Luft umfing ihre Körper. Seine Hände umfassten ihre Taille.
»Gesa!« Sie hörte Wolfs Schritte auf dem Holzboden des Schlafzimmers, gleich würde er oben die Tür aufreißen. Gesa befreite sich aus Lars’ Armen und schob ihn zur Hoftür hinaus.
»Ich komme wieder. Und wenn er dich anfasst . . . wenn er dir noch mal wehtut, bring ich ihn um.« Lars ging, ohne sich noch einmal umzudrehen, zu seinem Wagen.
18. Dezember
Zagrosek stellte die Schokosahnetorte auf den Tisch im Besprechungszimmer. »Das war die einzige, die es gab.«
»Sieht lecker aus«, meinte Blessing.
»Schneid mal ein paar Stücke ab. Sie müssen ja jetzt kommen.«
»Kaffee ist fertig!« Maxi brachte ein Tablett mit einer Thermoskanne und Geschirr. »Ich bring später noch mal frischen. Herzlichen Glückwunsch, Wiebke.«
»Danke.« Blessing lächelte, dann sah sie Zagrosek skeptisch an.
Zagrosek sah auf die Uhr. Wo blieben die anderen?
Gestern in der Kneipe hatte es kein lautes Wort der Kritik gegeben. Über die neue Dienststellenleiterin herrschte Stillschweigen. Die
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