Die Kalte Zeit
gelaufen?«, fragte Zagrosek.
Hünges kratzte sich an der Augenbraue. »Wir hatten mit Widerstand gerechnet, weil Konrad Verhoeven Herrn Rohloff gegenüber so ablehnend gewesen war. Er hatte ihn beschimpft und sogar persönlich beleidigt. Aber diesmal war Verhoeven wie ausgewechselt. Er war zwar wortkarg und unfreundlich wie immer, aber er hat uns zugehört. Dann kam die Überraschung. Er hat dem Verkauf der Flächen prinzipiell zugestimmt. Soweit ist der Termin in unseren Augen sehr gut gelaufen. Unser Angebot, die Verhandlungen mit dem Investor in seinem Interesse zu führen, hat er abgelehnt. Das mache er alles selbst. Kaum waren wir draußen, machte sich Rohloff Sorgen, dass Verhoeven den Investor mit überzogenen Forderungen verprellen könnte. Er traute Verhoeven nur Übles zu. Ich habe mich von seiner Sorge anstecken lassen. So richtig in trockenen Tüchern war die Sache noch nicht, da musste ich Rohloff zustimmen.«
»Und wie ist es weiter gegangen?«, fragte Zagrosek.
»Noch gar nicht. Wir müssen abwarten, wie sich die Erben zu der Grundstückssache verhalten. Aber da bin ich zuversichtlich. Der Schwiegersohn, Wolf Hendricks, war anfangs bei unserem Gespräch dabei und schien der ganzen Angelegenheit gegenüber sehr aufgeschlossen zu sein.«
»Hendricks war an den Verhandlungen beteiligt?«, fragte Kleinschmidt.
»Nein, das kann man nicht sagen. Er wollte gern bei dem Termin anwesend sein, das hat er deutlich durchblicken lassen, aber Verhoeven hat ihn . . . na ja, ich sag es mal so wie es war, er hat ihn rausgeschmissen. Ich glaub, Wolf Hendricks hat es mit ihm als Schwiegervater auch nicht leicht gehabt.« Hünges wischte eine Fluse von seinem Ärmel. »Aber das ist ein ehrgeiziger Bursche, der Wolf. Er will nächstes Jahr Schützenkönig in Büttgen werden. Chancen hat er.«
Auf dem Rückweg nahmen Zagrosek und Kleinschmidt nicht den Weg über das Kaarster Kreuz, sondern fuhren über die Landstraße, an Büttgen vorbei. Kleinschmidt saß am Steuer. Er wollte die Grundstücke sehen, die zum Verkauf standen.
Zagrosek zeigte auf die Nordmanntannenkultur, die weithin sichtbar war. »Da hinten war der Brand.«
»Ich würde mir das gerne mal aus der Nähe anschauen.«
»Dann musst du hier abbiegen.«
Kleinschmidt setzte den Blinker Richtung Kleinenbroich und hielt an der Kultur, in der Konrad Verhoevens Leiche gelegen hatte. Das Tor im Metallzaun war verschlossen. Sie gingen an den Nordmanntannen vorbei, die das Feuer verschont hatte und erreichten die zerstörte Hälfte der Fläche. Schnee bedeckte weiß und unschuldig das verbrannte Gras, doch die verkohlten Stümpfe der Bäume ragten wie Mahnmale empor.
Zagrosek warf Kleinschmidt einen Blick zu. »Übrigens, gerade bei Hünges warst du ganz der Alte. Also mach dir keine Gedanken.«
»Was mich nur nervt, sind mitleidige Blicke.«
»Von mir?«
»Von Dagmar, von den Kollegen, und von dir auch.«
»Im Moment ist es schwer, es dir Recht zu machen.«
»Wenn du dich über mich ärgerst, dann sag es. Hör auf, mich künstlich zu schonen.« Kleinschmidt ging weiter, schneller als zuvor. »Ich komm mit mir selbst nicht klar. Dabei muss ich froh sein. Ich bin froh. Der Krebs hat nicht über die Prostatakapsel hinaus gestreut. Sonst könnte ich schon im Sterben liegen. Ich habe eine zweite Chance bekommen.« Kleinschmidt kickte einen Schneeklumpen vom Weg. »Das ist großartig. Verstehst du? Ein Wunder ist das.«
»Ja«, sagte Zagrosek, »es gibt nichts auf der Welt, wofür ich dankbarer bin.«
»Aber im Alltag, mit diesen Handicaps . . . Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich scheißungerecht behandelt. Warum passiert mir das und nicht jemand anderem?«
»Ich darf dich nicht bedauern, aber du ersäufst im Selbstmitleid.« Zagrosek stieß ihm leicht mit dem Ellbogen in die Seite und grinste. Kleinschmidt blieb ernst.
Zagrosek hob die Hand. »Entschuldige. Aber du sagst ja, ich soll dich nicht schonen.«
»Du hast gut reden. Zu wissen, dass ich es meiner eigenen Frau nicht mehr besorgen kann, wenn ich . . . wenn wir es wollen.« Er verzog den Mund. »Du denkst vielleicht, bei uns sei nichts mehr gelaufen. Aber da irrst du dich. Dagmar und ich hatten noch immer Sex.«
»Warum auch nicht? Und den könnt Ihr auch wieder haben. Du darfst nicht so ungeduldig sein.«
»Ich fühle mich jedem anderen Mann unterlegen.« Kleinschmidt sah an Zagrosek vorbei. »Spontan geht gar nichts mehr. Der Sex muss generalstabsmäßig geplant werden. Einfach so, nach
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