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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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Worte auch nicht auf sich zu beziehen.
    Nellessen sah auf die Uhr. »Wir vertrödeln hier die Zeit.« Er warf Blessing einen kühlen Blick zu. »Das kann ja nicht im Sinne der neuen Dienststellenleitung sein.« Er verschwand mit Lammert auf dem Flur.
    »Tut mir leid, mein Telefon . . .«, sagte Zagrosek zu Blessing.
    »Schon gut.« Sie sah ihn an. »Da muss ich mich allein durchbeißen.«
    »Lammert klang ja geradezu begeistert.«
    »Ja, ich freu mich auch. Und es scheint ihm wirklich besser zu gehen.«
    Zagrosek sah sie verständnislos an. »Wem?«
    Blessing stutzte. »Das mit Werner klappt! Er hat gerade seine Rückkehr ins Team angekündigt. Darauf haben sie begeistert angestoßen.«

    Als Zagrosek im ‚Hermkes Bur’ eintraf, saß Schäffer schon an einem Tisch am Fenster gegenüber des Tresens. Er blickte auf seine Hände und war so in Gedanken versunken, dass er Zagrosek nicht gleich bemerkte.
    Zagrosek setzte sich. »Hey.«
    Bis auf zwei ältere Männer, die mit einem jüngeren Mann mit halblangem dunklem Haar hinter der Theke plauderten, war der Gastraum leer.
    Der Jüngere verschwand in der Küche, kam mit einer Tasse wieder heraus und stellte sie vor Lars ab. »Und Sie?«, fragte er Zagrosek.
    »Was soll das?«, fragte Schäffer.
    Der Wirt sah ihn erstaunt an. »Was?«
    Schäffer zeigte auf die Tasse.
    »Milchkaffee«, sagte der Wirt.
    »Wer hat den bestellt?«
    Der Wirt grinste, als handele es sich um einen schlechten Scherz. »Du trinkst doch immer Milchkaffee.«
    »Heute nicht.«
    »Dann nehm’ ich ihn eben wieder mit.« Der Wirt griff nach der Tasse.
    »Lassen Sie, ich nehm ihn gerne.« Zagrosek blickte zwischen den beiden hin und her.
    Schäffer zuckte die Achseln. »Ginger Ale. Mit viel Eis«, sagte er zu dem Wirt. Der entfernte sich wortlos.
    Zagrosek tauchte seine Oberlippe in den Milchschaum. Über Schäffer an der Wand hing eine Aufnahme vom Times Square in New York. Schäffer schwieg.
    »Schlechte Laune?«, fragte Zagrosek.
    »Nein. Aber manchmal macht mich dieser ganze Trott wahnsinnig. Die gleichen Wege fahren, dieselben Menschen sehen. Milchkaffee trinken.«
    »Er schmeckt doch.« Zagrosek wollte weiter witzeln, doch Schäffers Blick hielt ihn zurück. Schäffer wirkte verändert. Seine lässige Art, die Zagrosek beim ersten Treffen so sympathisch gefunden hatte, war verschwunden. Seine Augen waren sehr ernst, sehr wachsam, seine Bewegungen nicht mehr schlaksig, sondern voller Spannung. Wie ein Fuchs, der Witterung aufgenommen hat und ein Ziel umschleicht.
    »Wenn Ihr Leben plötzlich zu Ende wäre, könnten Sie dann sagen: Ja, das war prima! Ich habe so gelebt, wie ich es wollte?«
    Zagrosek musterte Schäffer. »Keine Ahnung. Was soll die Frage?«
    »Denken Sie mal drüber nach.«
    Zagrosek sah keinen Anlass, hier und jetzt über sein Leben nachzudenken. Und doch sah er sofort Vera vor sich. Er liebte Vera, aber er war nicht mit ihr zusammen. Er hätte gern ein Kind, einen Sohn. Er dachte an die Bruchbude, in der er wohnte.
    Wenn er jetzt sterben müsste, hier auf der Stelle . . . dann wäre nichts so, wie es sein sollte.
    »Ist Ihr Leben so, wie Sie es sich wünschen?«, hakte Schäffer nach.
    »Nein«, sagte Zagrosek unwillig.
    »Sehen Sie.«
    »Sie tun ja so, als könne man sich das einfach aussuchen.«
    Schäffer beobachtete den Wirt, der ein Glas mit klimpernden Eisstücken und eine Flasche Ginger Ale vor ihm abstellte. Dann sah er Zagrosek an. »Können Sie. Ich bin sicher, man kann es sich aussuchen.«
    »Was wollen Sie mit mir besprechen?«, fragte Zagrosek.
    Schäffer goss das Glas voll und trank es in einem Zug aus. »Konrad Verhoeven hatte ein Kaufangebot über bestimmte Grundstücke vorliegen. Da soll ein Neubaugebiet entstehen. Ein Düsseldorfer Investor.«
    »Interessant.«
    Schäffer lehnte sich zurück. »Die Verhandlungen führt die Kommune. Genau gesagt, eine Tochterfirma, eine Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft. Ich habe mir mal die Unterlagen angesehen. Der eigentliche Bauleitplan liegt noch nicht vor, aber der Flächennutzungsplan weist die konkreten Grundstücke aus.« Schäffer trommelte mit den Fingern gegen das Glas, die Eisstücke am Boden klirrten. »Das Filetstück bildet eine Fläche, die Sie gut kennen.«
    »Nämlich?«
    »Die, auf der Verhoeven verbrannt ist.«
    Zagrosek beugte sich vor. »Die Plantage mit den alten Nordmanntannen?«
    »Gesa Hendricks wusste zunächst nichts von dem Kaufangebot, und auch ihr Mann hat wohl nur zufällig davon

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