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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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‚Wie’! Das ist alles nebensächlich. Was du willst, ist wichtig. Nur das.« Er setzte sich neben sie, legte die Hand sanft in ihren Nacken.
    Gesa wich seinem Blick aus. Aber Wolf . . . und Felix und Anna, dachte sie.
    »Gesa . . .?«
    Gesa schüttelte stumm den Kopf.
    In Lars’ Augen erlosch etwas. Das Funkeln versank in mattem und müdem Braun. Er ließ ihre Hand los. »Wie du das immer wieder schaffst«, murmelte er. »Jetzt fühle ich mich wie ausgeleert.«
    Gesa verbarg ihr Gesicht in den Händen.
    »Und trotzdem brauche ich deine Nähe. Wenn ich nicht bei dir bin, will ich zu dir. Und wenn wir uns sehen«, Lars zögerte, »dann laufe ich wie gegen eine Mauer.«
    Es war ihre Schuld. Immer war es so. Gesa griff nach der Schale mit den Tannensamen und schleuderte sie gegen die Küchenwand. Sie traf die Uhr, die von ihrem Haken gerissen wurde und auf der Herdplatte in Einzelteile zersprang. Die Samenkörner prasselten nieder.
    Für eine Sekunde war es still in der Küche. Dann packte Lars Gesas Arm und zog sie vom Stuhl hoch. »Ja!«, rief er, »das ist es! Wehr dich doch! Fang an zu kämpfen! Fang endlich an zu leben!«
    Gesa starrte ihn an, beide Arme in der Luft, den einen in Lars’ Klammergriff, den anderen erhoben, um . . . ja, um sich gegen ihn zu schützen. Sie wollte ihn anbrüllen, doch als sie ihre eigene Stimme hörte, klang sie zittrig und leise.
    »Nur weil du jetzt da bist . . .«, begann sie. Nein, das war der falsche Anfang, das war nicht das, was sie sagen wollte. »Ich kann nicht alles ändern, alles wegschmeißen. Du bist auf einmal da, nach dreizehn Jahren. So einfach geht das nicht!«
    Lars trat ganz nah vor sie, so dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um seine Augen zu sehen. »Doch, Gesa. So einfach geht das.«
    Er ließ ihren Arm los und trat zurück. Sie sah die Enttäuschung in seinem Blick.
    »Lass mir noch etwas Zeit.«
    »Ja, du hast Recht. Dreizehn Jahre reichen bei dir nicht.«
    Gesa stand wie gelähmt, noch lange, nachdem Lars seinen Mantel genommen hatte und gegangen war.
     
    Die rot lackierte Landmaschine war nur noch fünfzig Meter entfernt. Zagrosek erkannte Herbert Graupner auf dem Fahrersitz und winkte ihm zu.
    Sie warteten schweigend, bis Graupner heran gerollt war. Er stellte den Motor ab und kletterte zu ihnen hinunter. Zagrosek stellte Kleinschmidt vor.
    »Was ist das denn?«, fragte Zagrosek und zeigte auf Graupners Gefährt.
    Graupner grinste. »Nennt sich Highlander. Ein Portaltraktor, mit dem man bequem alle Arbeiten in Weihnachtsbaumkulturen erledigen kann. Damit wollte ich Rocco die Arbeit schmackhafter machen.« Er drehte sich kurz zu seinem Anwesen um, zuckte dann die Schultern. »Aber er will wieder weg. Macht sein Studium in Köln weiter. Ist schon richtig so.«
    »Wir haben gehört, Sie haben einige Grundstücke verkauft?«, fragte Kleinschmidt.
    Graupner zog die Augenbrauen hoch. »Noch nicht unterschrieben. Aber ich habe es vor. Ich hoffe, dass der Deal nicht wegen ein paar Querulanten platzt.«
    »Sind die nicht alle tot?«, fragte Zagrosek.
    Graupner hielt seinem Blick stand. Zagrosek konnte nicht die leiseste Regung in seinen Augen erkennen.
    »Verhoeven und Martini«, setzte Zagrosek nach. »Die alten Sturköpfe. Die Gegner jeglichen Fortschritts. Gut, dass sie weg sind, oder?«
    »Das haben Sie gesagt.« Graupners Stimme klang leise und gereizt. »Aber es stimmt, ich trauere nicht sehr um sie. Wir sollten uns nicht festklammern an unserem Besitz, an unseren Ideen und Lebenszielen. Die neue Generation hat ihren eigenen Kopf. Rocco will Softwareentwickler werden, Wolf Hendricks Spargelbauer und die Tochter der Martinis kauft sich vielleicht mit dem Geld eine schicke Eigentumswohnung. Wer will beurteilen, ob das richtig oder falsch ist? Jeder ist seines Glückes Schmied.«
    »Sie haben Gesa Hendricks vergessen«, sagte Zagrosek.
    »Ach Gesa . . .« Graupner seufzte. »Gesa steht mit dem Glück auf Kriegsfuß. Ich kannte sie schon als kleines Mädchen, ich hab sie auf meinen Knien geschaukelt. Es reicht nicht aus, klug und begabt zu sein. Wenn man seine Träume verwirklichen will, muss man auch die Verantwortung übernehmen.«
    »Und warum tut sie das nicht?«
    »Weil sie Angst hat, vermute ich.«
    »Wovor?«
    »Keine Ahnung.« Graupner zögerte. »Vor sich selbst?«
    Zagrosek verschränkte die Arme vor der Brust. »Konrad Verhoeven war übrigens keiner der ‚Querulanten’. Er war Befürworter des Bauvorhabens, er wollte seine Grundstücke

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