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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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oder eine Bewegung hörte. Nichts. Die ländliche Stille schien sich bis hierher ausgedehnt zu haben. Ich öffnete die Türe und trat ein. Alle Vorhänge waren hermetisch geschlossen. Die im Eßzimmer zog ich auf, ging zu
Marguerites Zimmer und öffnete eilig die Türe.
Ich sprang auf die Vorhangschnur zu und zerrte sie herunter.
Die Vorhänge öffneten sich, das Morgengrauen drang
herein. Ich eilte zum Bett. Es war leer.
Eine Türe nach der anderen öffnete ich, sah in alle Zimmer. Niemand. Es war, um verrückt zu werden. Ich ging ins Ankleidezimmer, öffnete das Fenster und rief mehrmals Prudences Namen. Das Fenster von Frau Duvernoy blieb geschlossen. Dann lief ich hinunter zum Portier und fragte, ob Fräulein Gautier dagewesen sei.
,Ja', antwortete mir der Mann, ,mit Frau Duvernoy.' ,Hat sie nichts für mich hinterlassen?' .Nein.' ,Wissen Sie, was sie dann gemacht haben?' ,Sie sind in einen Wagen gestiegen.' ,In was für einen Wagen?' ,In einen herrschaftlichen Wagen.' Was sollte das bedeuten? Ich läutete im Nebenhaus. ,Zu wem wollen Sie?' fragte mich der Pförtner, als er mir öffnete. ,Zu Frau Duvernoy.'
,Sie ist nicht nach Hause gekommen.' ,Wissen Sie das genau?'
Ja, hier ist auch noch ein Brief, den man gestern abend abgab und den ich noch nicht weiterleiten konnte.' Der Portier zeigte mir den Brief. Mechanisch blickte ich darauf. Ich erkannte Marguerites Handschrift. Ich griff nach dem Brief. Die Adresse lautete: ,An Frau Duvernoy für Herrn Duval.' ,Dieser Brief ist für mich', sagte ich zum Portier und zeigte ihm die Adresse.
,Sind Sie Herr Duval?' fragte mich der Mann. Ja.'
,Ach, jetzt erkenne ich Sie, Sie waren des öfteren bei Frau Duvernoy.'
Sobald ich auf der Straße war, öffnete ich den Umschlag. Wäre der Blitz zu meinen Füßen eingeschlagen, ich hätte darüber nicht entgeisterter sein können als über diesen Brief. ,Wenn Sie diesen Brief lesen, Armand, bin ich schon die Geliebte eines anderen Mannes. Alles ist also zwischen uns aus.
Kehren Sie also zu Ihrem Vater zurück, mein Freund, sehen Sie Ihre Schwester wieder, ein junges, ehrbares Mädchen, das von unseren Nöten nichts weiß. Bei ihr werden Sie bald
vergessen, wieviel Kummer Ihnen ein gefallenes Mädchen bereitet hat, das Marguerite Gautier heißt. Es verdankt Ihnen die einzigen glücklichen Augenblicke ihres Lebens, das, wie sie befürchtet, nicht mehr lange währen wird.'
Als ich das letzte Wort gelesen hatte, glaubte ich, den Verstand zu verlieren.
Einen Augenblick befürchtete ich ernstlich, auf der Straße niederzusinken. Mein Blick trübte sich, das Blut hämmerte in meinen Schläfen. Endlich faßte ich mich ein wenig. Ich blickte mich um und war erstaunt zu sehen, daß das Leben der anderen weiterlief, ohne von meinem Unglück berührt zu werden.
Ich war nicht stark genug, um den Schlag, den Marguerite mir versetzt hatte, allein auszuhalten.
Ich erinnerte mich, daß mein Vater mit mir in derselben Stadt weilte, daß ich in zwei Minuten bei ihm sein konnte und er, wie auch immer mein Kummer sein mochte, ihn mit mir teilen würde.
Ich lief wie ein Verrückter, wie ein Dieb zum Hotel. Der Schlüssel steckte an der Türe meines Vaters. Ich trat ein. Er las.
Er war so wenig erstaunt, mich zu sehen, daß man meinen konnte, er habe mich erwartet.
Ich warf mich wortlos in seine Arme, gab ihm Marguerites Brief, sank vor seinem Bett zur Erde und weinte heiße Tränen.
     

XXIII
     
    Das Leben hat seinen natürlichen Ablauf, und der anbrechende Tag war, was ich nicht für möglich gehalten hätte, wie alle vergangenen. In manchen Augenblicken stellte ich mir vor, ein Umstand, an den ich mich nicht mehr erinnerte, habe mich die vergangene Nacht von Marguerite ferngehalten. Sobald ich nach Bougival zurückkehrte, würde ich sie dort unruhig auf mich wartend finden. Und sie würde mich fragen, was mich so lange aufgehalten hatte. Wenn ein Mensch sich so auf eine Liebe konzentriert hat wie ich, dann scheint es unmöglich zu sein, diese Liebe aufzugeben, ohne daß gleichzeitig alles andere in diesem Menschen zerbricht. Ich mußte also von Zeit zu Zeit Marguerites Brief wieder lesen, um mich zu vergewissern, daß ich nicht geträumt hatte.
Meinem Körper war es infolge des seelischen Schocks unmöglich, sich zu bewegen. Die Angst, der nächtliche Marsch und die Nachricht am frühen Morgen hatten ihn erschöpft. Mein Vater nutzte meine Kraftlosigkeit aus, um mir das Versprechen abzunehmen, endgültig mit ihm abzureisen. Ich versprach alles,

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