Die Kammer
nach Memphis zu einer weiteren Operation. Clovis Brazelton hatte einen großen Auftritt vor der Presse. Der Staatsanwalt machte keinerlei Versprechungen für einen neuen Prozeß. Sam Cayhall kehrte unauffällig nach Clanton zurück, mit dem feierlichen Schwur, sich nie mehr auf irgendwelche Unternehmungen mit Jeremiah Dogan einzulassen. Und der Imperial Wizard des Ku-Klux-Klan selbst zog triumphierend wieder in Meridian ein, wo er sich vor seinen Leuten rühmte, die Schlacht um die Vorherrschaft der Weißen hätte gerade erst begonnen, das Gute hätte über das Böse gesiegt, und so weiter und so weiter.
Der Name Rollie Wedge war nur einmal gefallen. In einer Mittagspause während des zweiten Prozesses hatte Dogan Cayhall zugeflüstert, er hätte eine Botschaft von dem Jungen erhalten. Der Überbringer der Botschaft war ein Fremder, der Dogans Frau auf einem Flur vor dem Gerichtssaal angesprochen hatte. Und die Botschaft war klar und simpel. Wedge war ganz in der Nähe, in den Wäldern, und verfolgte den Prozeß, und falls Dogan oder Cayhall seinen Namen erwähnen sollten, würde er ihre Häuser und ihre Familien in die Luft sprengen.
3
R uth und Marvin Kramer ließen sich 1970 scheiden. Später im gleichen Jahr wurde Marvin in eine Nervenheilanstalt eingewiesen und beging 1971 Selbstmord. Ruth kehrte nach Memphis zurück und zog wieder zu ihren Eltern. Trotz ihrer Probleme hatten sie auf einen dritten Prozeß gedrängt. Die gesamte jüdische Gemeinde in Greenville war überaus erregt und protestierte lautstark, als sich herausstellte, daß es dem Staatsanwalt reichte, zwei Prozesse verloren zu haben, und er nicht daran dachte, Cayhall und Dogan abermals anzuklagen.
Marvin wurde neben seinen Söhnen begraben. Ein neuer Park wurde dem Andenken an Josh und John Kramer gewidmet, und Stipendien wurden ausgesetzt. Im Laufe der Zeit verlor die Tragödie ihres Todes ein wenig von ihrem Grauen. Jahre vergingen, und in Greenville sprach man immer seltener über das Bombenattentat.
Obwohl das FBI darauf drängte, kam es nicht zu einem dritten Prozeß. Es gab kein neues Beweismaterial. Der Richter würde den Verhandlungsort zweifellos abermals verlegen. Eine Anklage erschien hoffnungslos, aber das FBI gab trotzdem nicht auf.
Da Cayhall nicht mehr mitmachte und Wedge untergetaucht war, geriet Dogans Bombenkampagne ins Stocken. Er trug auch weiterhin seine Kutte und hielt seine Reden und begann, sich selbst für eine bedeutsame politische Kraft zu halten. Journalisten aus dem Norden waren fasziniert von seiner lautstarken Rassenhetze, und er war immer bereit, seine Kapuze aufzusetzen und haarsträubende Interviews zu geben. Kurze Zeit war er halbwegs berühmt, was er ungeheuer genoß.
Aber Ende der 70er Jahre war Jeremiah Dogan nur ein weiterer Gangster mit einer Kutte in einer rapide zerfallenden Organisation. Die Schwarzen durften wählen. Die Rassentrennung in den öffentlichen Schulen war aufgehoben. Im ganzen Süden wurden Rassenschranken von Bundesrichtern beseitigt. Die Bürgerrechte hatten Mississippi erreicht, und der Klan hatte sich als erbärmlich ungeeignet erwiesen, dafür zu sorgen, daß die Neger dort blieben, wo sie hingehörten. Dogan konnte mit dem Kreuzeverbrennen nicht einmal mehr einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken.
1979 traten in dem offenen, aber ruhenden Fall des KramerAttentats zwei wichtige Ereignisse ein. Das erste war die Wahl von David McAllister zum Staatsanwalt von Greenville. Mit siebenundzwanzig wurde er der jüngste Staatsanwalt, den es in Mississippi je gegeben hatte. Als Teenager hatte er zugesehen, wie das FBI die Trümmer von Marvin Kramers Kanzlei durchsuchte. Kurz nach seiner Wahl gelobte er, daß er die Terroristen zur Rechenschaft ziehen würde.
Das zweite Ereignis war eine Anklage gegen Jeremiah Dogan wegen Steuerhinterziehung. Nachdem Dogan das FBI jahrelang hinters Licht geführt hatte, wurde er leichtsinnig und geriet mit der Finanzbehörde in Konflikt. Die Untersuchung dauerte acht Monate und endete mit einer Anklageschrift, die dreißig Seiten umfaßte. Ihr zufolge hatte Dogan zwischen 1974 und 1978 mehr als hunderttausend Dollar Einkommen unterschlagen. Sie enthielt sechsundachtzig Punkte, die ihm bis zu achtundzwanzig Jahre Gefängnis eintragen konnten.
Dogan war einwandfrei schuldig, und sein Anwalt (nicht Clovis Brazelton) machte sich sofort daran, die Möglichkeiten eines strafmildernden Handels zu erkunden. Woraufhin das FBI die Bühne betrat.
Nach einer ganzen
Weitere Kostenlose Bücher