Die Kammer
Reihe von hitzigen Diskussionen mit Dogan und seinem Anwalt bot die Regierung einen Handel an, demzufolge Dogan im Fall Kramer gegen Cayhall aussagen sollte und als Gegenleistung nicht wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis zu gehen brauchte. Null Tage hinter Gittern. Harte Bewährungsauflagen und eine hohe Geldstrafe, aber kein Gefängnis. Dogan hatte seit mehr als zehn Jahren nicht mehr mit Cayhall gesprochen. Dogan war nicht mehr im Klan aktiv. Es gab eine Menge Gründe, auf diesen Handel einzugehen, unter denen die Alternative, ein freier Mann zu bleiben oder ein Jahrzehnt oder mehr im Gefängnis zu verbringen, nicht der geringste war.
Um ihn auf Trab zu bringen, konfiszierte die Finanzbehörde alles, was er besaß, und plante eine hübsche kleine Zwangsversteigerung. Und um ihm bei seiner Entscheidung zu helfen, brachte David McAllister eine Anklagejury in Greenville dazu, ihn und seinen Kumpan Cayhall abermals wegen des Kramer-Attentats anzuklagen.
Dogan gab nach und entschied sich für den Handel.
Nach zwölf Jahren ruhigen Lebens in Ford County mußte Sam Cayhall erleben, daß er abermals angeklagt und verhaftet wurde und mit der Gewißheit eines neuen Prozesses und der Möglichkeit der Gaskammer zu rechnen hatte. Er war gezwungen, eine Hypothek auf sein Haus und seine kleine Farm aufzunehmen, damit er einen Anwalt engagieren konnte. Clovis Brazelton war inzwischen zu größeren Sachen übergegangen, und Dogan war kein Verbündeter mehr.
In Mississippi hatte sich seit den ersten beiden Prozessen sehr viel verändert. Schwarze hatten sich in Rekordzahlen in die Wählerverzeichnisse eintragen lassen, und diese neuen Wähler hatten schwarze Beamte gewählt. Ausschließlich aus Weißen bestehende Jurys waren selten. Im Staat gab es zwei schwarze Richter, zwei schwarze Sheriffs, und auf den Fluren der Gerichte konnte man neben ihren weißen Kollegen schwarze Anwälte sehen. Offiziell gab es keine Rassentrennung mehr. Und viele weiße Einwohner von Mississippi fingen an, zurückzuschauen und sich zu fragen, worüber man sich eigentlich so aufgeregt hatte. Weshalb hatte es soviel Widerstand gegen gleiche Rechte für alle Menschen gegeben? Obwohl noch ein langer Weg vor ihm lag, war Mississippi im Jahre 1980 ein ganz anderer Staat, als er es 1967 gewesen war. Und das war Sam Cayhall bewußt.
Er engagierte einen tüchtigen Verteidiger, der in Memphis lebte und Benjamin Keyes hieß. Ihre erste Taktik bestand in einem Antrag auf Abweisung der Anklage mit der Begründung, daß es unfair war, ihn nach so langer Zeit abermals vor Gericht zu stellen. Das erwies sich als stichhaltiges Argument, und es bedurfte einer Entscheidung des Gerichts des Staates Mississippi. Es entschied mit sechs gegen drei Stimmen, daß das Verfahren fortgesetzt werden durfte.
Und es wurde fortgesetzt. Der dritte und letzte Prozeß gegen Sam Cayhall begann im Februar 1981, in einem kalten kleinen Gerichtsgebäude in Lakehead County in der Nordwestecke des Staates. Über diesen Prozeß ließe sich vieles sagen. Es gab einen jungen Staatsanwalt, David McAllister, der brillant plädierte, aber die widerwärtige Angewohnheit hatte, jede freie Minute mit der Presse zu verbringen. Er sah gut aus, war redegewandt und einfühlsam, und es wurde schon bald klar, daß dieser Prozeß einen Zweck hatte. Mr. McAllister hatte politische Ambitionen in großem Maßstab.
Die Jury bestand aus acht Weißen und vier Schwarzen. Und es gab die Glasscherben, die Zündschnur, die FBIBerichte und sämtliche anderen Fotos und Beweisstücke aus den ersten beiden Prozessen.
Außerdem war da noch die Aussage von Jeremiah Dogan, der in einem baumwollenen Arbeitshemd im Zeugenstand erschien und der Jury mit demütiger Miene in allen Einzelheiten erklärte, wie er mit dem da drüben sitzenden Sam Cayhall konspiriert und den Bombenanschlag auf das Büro von Mr. Kramer geplant hatte. Sam funkelte ihn an und ließ sich kein Wort entgehen, aber Dogan schaute in eine andere Richt ung. Sams Anwalt bekniete Dogan einen halben Tag lang und zwang ihn, zuzugeben, daß er mit der Regierung einen Handel abgeschlossen hatte. Aber der Schaden war bereits angerichtet.
Es hätte der Verteidigung von Sam Cayhall nichts genützt, wenn sie das Thema Rollie Wedge zur Sprache gebracht hätte. Denn dann hätte sie zugeben müssen, daß Sam in der Tat mit der Bombe in Greenville gewesen war. Sam wäre gezwungen gewesen, einzugestehen, daß er an der Verschwörung beteiligt gewesen war, und
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