Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
nach dem Gesetz wäre er damit genauso schuldig wie der Mann, der das Dynamit gelegt hatte. Und um den Geschworenen dieses Szenario vorzutragen, hätte Sam gezwungenermaßen selbst aussagen müssen, was weder er noch sein Anwalt wollten. Sam konnte ein rigoroses Kreuzverhör nicht durchstehen, weil er ständig neue Lügen erfinden müßte, um die vorherigen plausibel zu machen.
    Und an diesem Punkt würde niemand eine plötzliche Geschichte über einen mysteriösen neuen Terroristen glauben, von dem zuvor nie die Rede gewesen war und der kam und ging, ohne je gesehen zu werden. Sam wußte, daß der Rollie-WedgeDreh sinnlos war, und sogar sein eigener Anwalt erfuhr nie den Namen des Mannes.
    Gegen Ende des dritten Prozesses stand David McAllister in einem bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal vor den Geschworenen und hielt sein Schloßplädoyer. Er sprach davon, wie er als Junge in Greenville gelebt und jüdische Freunde gehabt hatte. Er wußte nicht, was an ihnen anders sein sollte. Er kannte einige der Kramers, anständige Leute, die schwer arbeiteten und die Stadt an ihrem Gewinn teilhaben ließen. Außerdem hatte er mit schwarzen Kindern gespielt und erfahren, daß sie großartige Freunde sein konnten. Er hatte nie verstanden, weshalb sie die eine Schule besuchten und er eine andere. Er erzählte eine erschütternde Geschichte, wie er am Morgen des 21. April 1967 gespürt hatte, wie die Erde bebte, und wie er daraufhin in die Innenstadt gerannt war, wo Rauch emporstieg. Drei Stunden lang hatte er hinter der Absperrung gestanden und gewartet. Er hatte die Feuerwehrleute eilig umherlaufen sehen, als sie Marvin Kramer gefunden hatten. Er hatte gesehen, wie sie in den Trümmern hockten, als sie die Jungen fanden. Sein Gesicht war tränenüberströmt gewesen, als die kleinen Leichen, in weiße Tücher eingehüllt, langsam zu einer Ambulanz getragen wurden.
    Es war eine großartige Vorstellung, und als McAllister geendet hatte, war es im Gerichtssaal ganz still. Mehrere Geschworene wischten sich Tränen aus den Augen.
    Am 12. Februar 1981 wurde Sam Cayhall wegen vorsätzlichen Doppelmordes und Mordversuchs verurteilt. Zwei Tage später kehrte dieselbe Jury mit einer Verurteilung zum Tode in denselben Gerichtssaal zurück.
    Sam Cayhall wurde ins Staatsgefängnis von Parchman gebracht, wo das Warten auf seine Verabredung mit der Gaskammer begann. Am 19. Februar 1981 betrat er zum erstenmal den Todestrakt.
4
    I n der Anwaltsfirma Kravitz & Bane in Chicago gab es fast dreihundert Anwälte, die friedlich unter einem Dach arbeiteten. Zweihundertundsechsundachtzig, um genau zu sein, obwohl es für jedermann schwierig war, eine exakte Zahl zu nennen, weil aus einer Vielzahl von Gründen laufend ein rundes Dutzend verschwand und gleichzeitig ein oder zwei Dutzend Anfänger auftauchten, die gerade die Universität hinter sich hatten, ausgebildet und geschliffen wurden und darauf warteten, sich ins Getümmel stürzen zu dürfen. Und obwohl riesig, hatte Kravitz & Bane das Expansionsspiel nicht so schnell gespielt wie andere, hatte es weitgehend unterlassen, schwächere Firmen in anderen Städten zu schlucken, und hatte sich bei der Abwerbung von Mandanten anderer Firmen zurückgehalten; deshalb mußte man sich damit begnügen, lediglich die drittgrößte Firma in Chicago zu sein. Es gab Büros in sechs Städten, aber zum Leidwesen der jüngeren Partner stand auf den Briefbogen keine Londoner Adresse.
    Obwohl ein wenig milder geworden, stand Kravitz & Bane nach wie vor im Ruf einer unerbittlichen Prozeßfirma. Es gab zahmere Abteilungen für Immobilien-, Steuer- und Kartellrecht, aber das Geld wurde mit Prozessen gemacht. Wenn die Firma Anfänger einstellte, suchte sie sich die intelligentesten Leute im dritten Studienjahr mit den besten Noten in Scheinprozeßführung und Debattieren aus. Sie wollte junge Männer (und hin und wieder eine Alibifrau), die sofort in dem aggressiven Angriffsstil ausgebildet werden konnten, den die Prozeßanwälte von Kravitz & Bane schon vor langer Zeit perfektioniert hatten.
    Es gab eine hübsche, wenn auch kleine Abteilung, die sich mit Klagen auf Schadensersatz für Verletzungen beschäfigte, ein einträgliches Geschäft, bei dem sie fünfzig Prozent kassierten und ihren Mandanten den Rest beließen. Es gab eine beachtliche Abteilung für Wirtschaftsvergehen, aber die Verbrecher im weißen Kragen brauchten eine Menge Geld, wenn sie sich von Kravitz & Bane verteidigen lassen wollten. Und

Weitere Kostenlose Bücher