Die Kammer
kleine Wiese mit Bermudagras, dicht und grün und offensichtlich gut gepflegt, und hinter der Wiese gab es eine Anlage aus zwanzig Luxus-Eigentumswohnungen, die über die Kante des Steilufers hinausragten. Eine Mauer aus Ziegelsteinen und Eisen war ein lästiges Problem, und er studierte sie, noch immer im Gebüsch versteckt, geduldig.
Eine Seite der Wohnanlage bestand aus dem Parkplatz mit einem verschlossenen Tor, das den einzigen Ein- und Ausgang bildete. In dem kleinen, kastenförmigen, mit einer Klimaanlage versehenen Pförtnerhaus saß ein uniformierter Wachmann. Nur wenige Wagen waren zu sehen Es war fast zehn Uhr morgens. Durch das getönte Glas konnte man die Silhouette des Wachmanns erkennen.
Wedge beschloß, die Mauer zu ignorieren und statt dessen vom Steilufer aus einzudringen. Er kroch an einer Reihe von Kornelkirschbüschen entlang und krallte sich an Grasbüscheln fest, um nicht auf den Riverside Drive abzurutschen, der fünfundzwanzig Meter unter ihm lag. Er glitt unter Holzterrassen entlang, von denen sich einige über dem steil abfallenden Hang drei Meter weit in die Luft hinausstreckten. An der siebenten machte er halt und schwang sich auf die Terrasse.
Er ruhte sich einen Moment in einem Korbstuhl aus und beschäftigte sich mit einem auf Putz liegenden Kabel, gerade so, als nähme er eine Routineüberprüfung vor. Niemand beachtete ihn. Abgeschiedenheit war diesen reichen Leuten sehr wichtig; sie bezahlten eine Menge Geld dafür, und jede Terrasse war von der benachbarten durch dekorative Holzplanken und alle möglichen Hängepflanzen abgeschirmt. Sein Hemd war inzwischen feucht geworden und klebte ihm am Rücken.
Die gläserne Schiebetür von der Terrasse zur Küche war natürlich verschlossen, aber es war ein relativ einfaches Schloß, das ihn nur ungefähr eine Minute aufhielt. Er öffnete es, ohne es zu beschädigen oder Spuren zu hinterlassen; dann sah er sich noch einmal um, bevor er hineinging. Das war der riskante Teil. Er vermutete, daß es eine Alarmanlage gab, wahrscheinlich mit Sensoren an sämtlichen Fenstern und Türen. Da niemand zu Hause war, war die Anlage vermutlich eingeschaltet. Die entscheidende Frage lautete, wieviel Lärm ausgelöst werden würde, wenn er die Tür öffnete. Würde es ein stummer Alarm sein, oder würde eine Sirene aufheulen?
Er holte Luft, dann schob er vorsichtig die Tür auf. Kein Sirenengeheul begrüßte ihn. Er warf einen raschen Blick auf den Monitor über der Tür, dann trat er ein.
Der Alarm drang augenblicklich zu Willis durch, dem Wachmann am Tor, der ein zwar nicht sehr lautes, aber doch eindringliches Piepen aus seiner Überwachungsanlage hörte. Er betrachtete das rote Blinklicht von Nummer 7, Eigentum von Lee Booth, und wartete darauf, daß es aufhörte. Mrs. Booth löste ihren Alarm mindestens zweimal im Monat aus; das war der Durchschnitt bei der Herde, die er zu hüten hatte. Er schaute auf sein Clipboard und stellte fest, daß Mrs. Booth um neun Uhr fünfzehn abgefahren war. Aber gelegentlich hatte sie Besucher, die bei ihr übernachteten, gewöhnlich Männer, und jetzt war ihr Neffe bei ihr zu Besuch, und deshalb beobachtete Willis das rote Licht fünfundvierzig Sekunden lang, bis es aufhörte zu blinken und zu einem Dauerlicht wurde.
Das war ungewöhnlich, aber kein Grund zur Panik. Diese Leute lebten hinter Mauern und bezahlten für bewaffnete Bewachung rund um die Uhr, deshalb kümmerten sie sich kaum um ihre Alarmanlagen. Er wählte rasch Mrs. Booth' Telefonnummer, aber niemand meldete sich. Er drückte auf einen Knopf und löste damit einen automatischen Anruf unter der Nummer 911 mit der Anforderung von Polizeiunterstützung aus. Er öffnete die Schublade mit den Schlüsseln und holte einen für Nummer 7 heraus, dann verließ er das Pförtnerhaus und ging schnell über den Parkplatz, um in Mrs. Booth' Wohnung nachzusehen. Er knöpfte sein Holster auf, um notfalls schnell nach seiner Waffe greifen zu können.
Rollie Wedge betrat das Pförtnerhaus und sah die offene Schublade. Er nahm sich einen mit 7 gekennzeichneten Schlüsselsatz sowie eine Karte mit dem Alarmcode und Instruktionen und außerdem die Schlüssel und Karten für die Wohnungen 8 und 13, nur um den alten Willis und die Polizei irrezuführen.
26
S ie gingen zuerst zum Friedhof, um den Toten ihren Respekt zu erweisen. Er erstreckte sich über zwei kleine Hügel am Rand von Clanton, von denen der eine mit prächtigen Grabsteinen und Monumenten übersät war. Dort
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