Die Kammer
Mississippi hatte sie damit verbracht, die endlose Weite des Deltas und die üppigen Baumwoll- und Bohnenfeler zu bewundern, verblüfft zu beobachten, wie Flugzeuge ihre Chemikalien über diese Felder versprühten, und den Kopf zu schütteln angesichts der Ansammlungen erbärmlicher Hütten. »Ich bin nervös«, gestand sie, nicht zum erstenmal. Sie hatten sich kurz über Berkeley und Chicago unterhalten und darüber, was die nächsten Jahre bringen mochten. Über ihren Vater und ihre Mutter hatten sie nicht gesprochen. Sam und seine Familie wurden ebenfalls ausgeklammert.
»Ich bin auch nervös.«
»Irgendwie ist das absurd, Adam. Wie wir hier in dieser Wildnis einen Highway entlangjagen, um einen Großvater zu besuchen, der in Kürze hingerichtet werden soll.«
Er tätschelte ihr ermutigend das Knie. »Du tust genau das Richtige.« Sie trug eine zwei Nummern zu weite Baumwollhose, Wanderstiefel, ein verblichenes rotes Jeanshemd. Ganz die Psychologiestudentin im höheren Semester.
»Da ist es.« Er zeigte plötzlich nach vorn. Auf beiden Seiten des Highways parkten Wagen, Stoßstange an Stoßstange. Leute wanderten auf das Gefängnis zu, und der Verkehr floß entsprechend langsam.
»Was hat das alles zu bedeuten?« fragte sie.
»Es ist ein Zirkus.«
Sie passierten drei Klansmänner, die am Rand des Gehsteigs entlangmarschierten. Carmen starrte sie an, dann schüttelte sie ungläubig den Kopf. Sie schoben sich durch die Menge, kaum schneller als die Leute, die sich an den Demonstrationen beteiligen wollten. Vor dem Haupteingang standen in der Mitte des Highways zwei Staatspolizisten und dirigierten den Verkehr. Sie machten Adam Zeichen, nach rechts abzubiegen, was er denn auch tat. Ein Parchman-Wärter deutete auf einen Parkplatz neben einem flachen Straßengraben.
Sie hielten sich bei den Händen und gingen auf den Haupteingang zu, wobei sie nur einen Moment stehenblieben, um die Dutzende von Klansmännern anzustarren, die sich vor dem Gefängnis versammelt hatten. Einer von ihnen hielt eine feurige Rede, aber sein Megaphon versagte alle paar Sekunden. Eine Gruppe von Braunhemden stand Schulter an Schulter am Straßenrand und hielt Plakate hoch. Auf der anderen Seite des Highways parkten nicht weniger als fünf Aufnahmewagen von Fernsehsendern. Über ihnen kreiste ein Pressehubschrauber.
Am Eingang stellte Adam Carmen seiner neuen Freundin Louise vor, der Angestellten, die für den Papierkram verantwortlich war. Sie wirkte nervös und ziemlich mitgenommen. Es hatte ein oder zwei hitzige Wortwechsel gegeben zwischen den Kluxern und der Presse und den Wachmannschaften. Im Moment war die Lage kritisch, und ihrer Meinung nach konnte es nur noch schlimmer werden.
Ein uniformierter Wärter begleitete sie zu einem Gefängnistransporter, und sie fuhren schnell vom Eingangsbereich fort.
»Unglaublich«, sagte Carmen.
»Es wird von Tag zu Tag schlimmer. Warte nur bis morgen.«
Der Transporter verlangsamte das Tempo, als sie die Hauptstraße entlangfuhren, unter den großen, schattenspendenden Bäumen hindurch und vorbei an den hübschen weißen Häuschen. Carmen ließ sich nichts entgehen.
»Das sieht gar nicht aus wie ein Gefängnis.«
»Es ist im Grunde eine Farm. Siebzehntausend Morgen groß. In diesen Häusern hier wohnen die Angestellten.«
»Mit Kindern«, sagte sie mit Blick auf die Fahrräder und Roller, die in den Vorgärten lagen. »Es ist so friedlich. Wo sind die Gefangenen?«
»Wart's nur ab.«
Der Transporter bog nach links ein. Der Asphalt hörte auf, und die Schotterstraße begann. Direkt vor ihnen lag der Trakt.
»Siehst du die Türme da vorn?« fragte Adam. »Die Zäune und den Stacheldraht?« Sie nickte.
»Das ist der Hochsicherheitstrakt. Sams Zuhause seit nunmehr neuneinhalb Jahren.«
»Wo ist die Gaskammer?«
»Da drinnen.«
Zwei Wärter warfen einen Blick in den Transporter, dann winkten sie ihn durch die beiden Tore. Er hielt vor dem Haupteingang an, wo Packer auf sie wartete. Adam machte ihn mit Carmen bekannt, die jetzt kaum noch ein Wort herausbrachte. Sie gingen hinein, wo Packer sie andeutungsweise durchsuchte. Drei andere Wärter schauten zu. »Sam ist schon hier drin«, sagte Packer und deutete mit einem Kopfnicken auf das vordere Büro. »Sie können hineingehen.«
Adam ergriff ihre Hand und drückte sie fest. Sie nickte, und sie gingen auf die Tür zu. Er öffnete sie.
Sam saß wie gewöhnlich auf der Schreibtischkante. Er ließ die Füße baumeln, und er rauchte
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