Die Kammer
Realität einer Hinrichtung stürzte auf sie ein, sie konnten sie in den schweren Tritten hören, die durch den Abschnitt schlurften, und in den strengen, gedämpften Stimmen des Hinrichtungsteams. Noch vor einer Woche hätten sie das Zuschlagen einer Tür kaum zur Kenntnis genommen. Jetzt war es ein aufrüttelnder Schock, der an den Nerven zerrte.
Die Wärter marschierten mit Sams Besitztümern über den Flur, bis Zelle sechs leer war. Es dauerte nicht lange. In seinem neuen Heim deponierten sie die Dinge ohne die geringste Sorgfalt.
Keiner der acht arbeitete im Todestrakt. Nugent hatte irgendwo in Naifehs Gekritzel gelesen, daß die Angehörigen des Hinrichtungsteams für den Verurteilten völlig Fremde sein sollten. Sie sollten aus anderen Blöcken kommen. Einunddreißig Polizisten und Wärter hatten sich für diese Arbeit gemeldet. Nugent hatte nur die Besten ausgewählt.
»Ist alles drin?« fuhr er einen seiner Männer an.
»Ja, Sir.«
»Sehr gut. Ihr Reich, Sam.«
»Oh, vielen Dank, Sir«, höhnte Sam, als er die Zelle betrat.
Nugent nickte zum anderen Ende des Flurs hin, und die Tür glitt zu. Er trat vor und ergriff die Gitterstäbe mit beiden Händen. »Und nun hören Sie zu, Sam«, sagte er mit getragener Stimme. Sam lehnte mit dem Rücken an der Wand und sah Nugent nicht an. »Wir sind in der Nähe, falls Sie etwas brauchen sollten. Wir haben Sie hierher verlegt, damit wir Sie besser im Auge behalten können. Okay? Kann ich noch irgendwas für Sie tun?«
Sam ignorierte ihn weiter und sah ihn nicht an.
»Also gut.« Er trat zurück und wandte sich an seine Männer. »Gehen wir«, sagte er zu ihnen. Die Abteilungstür, weniger als drei Meter von Sam entfernt, glitt auf, und das Todesteam marschierte hinaus. Nugent ließ den Blick durch den Flur schweifen, dann ging er gleichfalls durch die Tür.
»Hey, Nugent!« brüllte Sam plötzlich. »Wie war's, wenn Sie mir die Handschellen abnehmen würden?«
Nugent erstarrte, und das Todesteam blieb stehen.
»Sie Blödmann!« brüllte Sam wieder, als Nugent eilends zurückkam, nach den Schlüsseln fummelte und Befehle bellte. Gelächter brach im Abschnitt aus, lautes Wiehern und schrille Pfiffe. »Sie können mich nicht gefesselt einsperren!« kreischte Sam in den Flur hinaus.
Nugent war an Sams Tür, knirschte mit den Zähnen, fluchte, fand schließlich den richtigen Schlüssel. »Umdrehen«, befahl er.
»Wie kann man nur so dämlich sein!« brüllte Sam durch die Gitterstäbe hindurch dem Colonel direkt in das gerötete, weniger als einen halben Meter entfernte Gesicht. Das Gelächter dröhnte noch lauter.
»Und Sie sind für meine Hinrichtung verantwortlich!« sagte Sam wütend und ziemlich laut, damit alle anderen es hören konnten. »Wahrscheinlich werden Sie sich selbst vergasen!«
»Verlassen Sie sich nicht darauf«, sagte Nugent bissig.
»Und nun drehen Sie sich um.«
Irgend jemand, entweder Hank Henshaw oder Harry Ross Scott, brüllte »Blödmann!«, und sofort hallte der Ruf durch den ganzen Flur.
»Blödmann! Blödmann! Blödmann!«
»Ruhe!« brüllte Nugent. »Blödmann! Blödmann!«
»Ruhe!«
Sam drehte sich endlich um und streckte die Hände hinaus, so daß Nugent drankommen konnte. Die Handschellen klappten auf, und der Colonel marschierte im Schnellschritt auf die Abschnittstür zu.
»Blödmann! Blödmann! Blödmann!« johlten sie fast einstimmig, bis die Tür ins Schloß gefallen und der Flur wieder leer war. Plötzlich erstarben die Stimmen, das Gelächter war verstummt. Langsam verschwanden ihre Arme von den Gitterstäben.
Sam stand mit dem Gesicht zum Flur da und funkelte die beiden Wärter an, die ihn von der anderen Seite der Abschnittstür aus beobachteten. Er verbrachte ein paar Minuten damit, seine Zelle einzurichten - er schloß den Ventilator und den Fernseher an, stapelte seine Bücher ordentlich auf, als würden sie noch benutzt werden, vergewisserte sich, daß die Toilettenspülung funktionierte und das Wasser lief. Er setzte sich auf das Bett und inspizierte das zerrissene Laken.
Dies war seine vierte Zelle im Trakt und zweifellos diejenige, in der er die kürzeste Zeitspanne verbringen würde. Er erinnerte sich an die ersten beiden, vor allem die zweite, in Abschnitt B, wo sein guter Freund Buster Moac sein Nachbar gewesen war. Eines Tages waren sie gekommen und hatten Buster hierher gebracht, in die Observierungszelle, wo sie ihn rund um die Uhr bewachen konnten, damit er nicht Selbstmord beging. Sam hatte
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