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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ins Kino, und sie machten lange Spaziergänge an der Küste entlang. Sie entschuldigte sich immer wieder dafür, daß sie sie nicht schon früher besucht hatte. Sie hatte es gewollt, aber Eddie hatte es nicht zugelassen. Er wollte sie nicht sehen, weil es früher einen Streit zwischen ihnen gegeben hatte.
    Und es war Tante Lee, die mit Adam am Ende einer Mole stand, zusah, wie die Sonne im Pazifik versank, und schließlich von ihrem Vater sprach, von Sam Cayhall. Während unter ihnen die Wellen sanft gegen die Mole schwappten, erzählte Lee dem jungen Adam, daß er als Säugling und Kleinkind in einer kleinen Stadt in Mississippi gelebt hatte. Sie hielt seine Hand und tätschelte hin und wieder sein Knie, wahrend sie ihn mit der unseligen Geschichte der Familie vertraut machte. Sie informierte ihn über die nackten Tatsachen von Sams KlanAktivitäten, über das Kramer-Attentat und die Prozesse, die ihn schließlich in den Todestrakt von Mississippi gebracht hatten. Ihre Erzählung hatte Lücken, mit denen man Bibliotheken hätte füllen können, aber über die entscheidenden Punkte sprach sie mit sehr viel Feingefühl.
    Für einen unsicheren Sechzehnjährigen, der gerade seinen Vater verloren hat, verkraftete Adam die ganze Angelegenheit recht gut. Er stellte ein paar Fragen, während ein kühler Wind auf die Küste traf und sie sich eng aneinanderdrückten, aber die meiste Zeit hörte er einfach zu, nicht schockiert oder empört, sondern ungeheuer fasziniert. Diese grauenhafte Geschichte war auf eine seltsame Art tröstlich. Es gab eine Familie da draußen! Vielleicht war er doch nicht so unnormal. Vielleicht gab es da Tanten und Onkel und Vettern, an deren Leben man teilhaben und mit denen man sich unterhalten konnte. Vielleicht gab es alte Häuser, gebaut von richtiggehenden Vorfahren, und Land und Farmen, auf denen sie sich niedergelassen hatten. Er hatte doch eine Geschichte.
    Aber Lee war klug genug, um sein Interesse schnell zu durchschauen. Sie erklärte ihm, daß die Cayhalls merkwürdige und verschlossene Leute waren, die für sich allein lebten und keine Außenstehenden an sich herankommen ließen. Sie waren keine freundlichen und warmherzigen Menschen, die sich zu Weihnachten versammelten und den Vierten Juli gemeinsam feierten. Lee lebte nur eine Autostunde von Clanton entfernt, besuchte sie aber nie.
    Die Ausflüge zur Mole in der Abenddämmerung wurden während der darauffolgenden Woche zu einem Ritual. Sie machten am Markt Station und kauften eine Tüte mit blauen Trauben, dann spuckten sie bis lange nach Einbruch der Dunkelheit Kerne in den Ozean. Lee erzählte Geschichten aus ihrer Kindheit in Mississippi mit ihrem kleinen Bruder Eddie. Sie hatten auf einer kleinen Farm gelebt, eine Viertelstunde von Clanton entfernt, mit Teichen zum Angeln und Ponys zum Reiten. Sam war ein passabler Vater gewesen, nicht übermäßig autoritär, aber auch alles andere als zärtlich. Ihre Mutter war eine schwache Frau, die Sam nicht mochte, aber ihre Kinder hingebungsvoll liebte. Sie verlor ein Kind, als Lee sechs war und Eddie beinahe vier, und lag danach fast ein Jahr im Bett. Sam stellte eine schwarze Frau ein, die sich um Eddie und Lee kümmern sollte. Ihre Mutter starb an Krebs, und das war das letztemal, daß sich die Cayhalls versammelten. Eddie schlich sich zur Beerdigung in die Stadt, versuchte aber, allen aus dem Wege zu gehen. Drei Jahre später wurde Sam zum letztenmal verhaftet und verurteilt.
    Über ihr eigenes Leben hatte Lee wenig zu erzählen. Sie hatte im Alter von achtzehn Jahren fluchtartig ihr Zuhause verlassen, eine Woche nach Abschluß der High-School, und war nach Nashville gefahren, um als Sängerin berühmt zu werden. Irgendwie hatte sie Phelps Booth kennengelernt, der an der Vanderbilt University studierte und dessen Familie mehrere Banken besaß. Sie heirateten und ließen sich in Memphis nieder, wo sie ein allem Anschein nach unerfreuliches Leben führten. Sie hatten einen Sohn, Walt, der offenbar ziemlich rebellisch war und jetzt in Amsterdam lebte. Das waren die einzigen Details.
    Adam wußte nicht, ob Lee aus sich etwas anderes gemacht hatte als eine Cayhall, vermutete es aber. Wer konnte ihr daraus einen Vorwurf machen?
    Lee verschwand so unauffällig, wie sie gekommen war. Ohne eine Umarmung oder ein Lebewohl verließ sie vor Tagesanbruch ihr Haus und war fort. Zwei Tage später rief sie an und sprach mit Adam und Carmen. Sie ermutigte sie, ihr zu schreiben, was sie eifrig taten,

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