Die Kammer
mich kaum erinnern.«
Von draußen wurde leise an die Tür geklopft, dann erschien Sergeant Packer mit einem großen Plastikbecher voll Kaffee, einer Papierserviette, einem Rührstäbchen und Tütchen mit Zucker und Milchpulver. »Ich dachte, Sie könnten einen Kaffee gebrauchen. Tut mir leid, wenn ich störe.« Er stellte den Becher und das Zubehör auf die Plattform.
»Danke«, sagte Adam.
Packer machte schnell kehrt und strebte auf die Tür zu.
»Ich nehme zwei Zucker und einmal Milch«, sagte Sam von der anderen Seite.
»Ja, Sir«, sagte Packer, ohne stehenzubleiben. Dann war er fort.
»Guter Service hier«, sagte Adam.
»Wundervoll. Einfach wundervoll.«
14
S am bekam natürlich keinen Kaffee. Er wußte das sofort, aber Adam wußte es nicht. Und deshalb sagte Sam, nachdem er ein paar Minuten gewartet hatte: »Trink ihn.« Er selbst zündete sich eine neue Zigarette an und wanderte ein bißchen herum, während Adam mit dem Stäbchen den Zucker umrührte. Es war fast elf; Sam hatte seine Draußenstunde verpaßt, und er hatte wenig Hoffnung, daß Packer sich die Zeit nehen würde, damit er sie nachholen konnte. Er wanderte herum und machte ein paar Rumpfbeugen und ein halbes Dutzend tiefe Kniebeugen, und während er sich zittrig hob und senkte, knackten seine Kniegelenke. In seinem ersten Jahr im Todestrakt hatte er sich angewöhnt, regelmäßig zu trainieren. Eine Zeitlang hatte er in seiner Zelle täglich hundert Liegestütze und hundert Kniebeugen gemacht, Tag für Tag. Sein Gewicht sank auf ideale achtzig Kilo, wozu auch die fettarme Ernährung beitrug. Sein Bauch war flach und hart. Noch nie war er so gesund gewesen.
Aber nicht lange danach wurde ihm bewußt, daß der Trakt seine letzte Heimstätte sein und der Staat ihn eines Tages töten würde. Welchen Sinn haben schon gute Gesundheit und ein straffer Bizeps, wenn man dreiundzwanzig Stunden am Tag eingesperrt ist und aufs Sterben wartet? Das Trainieren hörte allmählich auf. Dafür nahm das Rauchen zu. Unter seinen Genossen galt Sam als glücklicher Mann, vor allem deshalb, weil er draußen Geld hatte. Ein jüngerer Bruder, Daniel, lebte in North Carolina, und einmal im Monat schickte er Sam ein Paket mit zehn Stangen Montclair-Zigaretten. Sam rauchte drei bis vier Schachteln pro Tag. Er wollte sich selbst umbringen, bevor der Staat es tun konnte. Und er zog es vor, an irgendeiner langwierigen Sache zu sterben, an einer Krankheit, die eine teure Behandlung erforderte, die zu bezahlen der Staat Mississippi nach dem Wortlaut seiner Verfassung verpflichtet war.
Doch es sah so aus, als würde er das Rennen verlieren. Der Bundesrichter, der nach einem Prozeß, mit dem ein Gefangener seine Rechte eingeklagt hatte, jetzt für Parchman zuständig war, hatte eine Reihe von Weisungen zur Änderung der grundlegenden Methoden des Strafvollzugs erteilt. Er hatte die Rechte der Gefangenen bis in alle Einzelheiten festgelegt. Und er hatte auch geringfügigere Details nicht außer acht gelassen, so zum Beispiel die Abmessungen jeder Zelle im Todestrakt und die Geldsumme, die jeder Insasse besitzen durfte. Zwanzig Dollar waren das Maximum. Das Geld wurde »Staub« genannt und kam immer von draußen. Den Insassen des Traktes war es nicht gestattet, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Die Glücklichen unter ihnen erhielten jeden Monat ein paar Dollars von Verwandten oder Freunden. Sie konnten es in einer Kantine ausgeben, die in der Mitte des Hochsicherheitstraktes lag und in der sie Soft Drinks, Süßigkeiten und Zigaretten kaufen konnten.
Der größere Teil der Insassen bekam nichts von draußen. Sie handelten und machten Tauschgeschäfte, bis sie genügend Münzen zusammen hatten, um ein paar lose Tabakblätter zu kaufen, die sie in dünnes Papier einwickelten und rauchten. Sam war in der Tat ein glücklicher Mann.
Er setzte sich wieder und zündete sich eine weitere Zigarette an.
»Warum hast du beim Prozeß nicht ausgesagt?« fragte sein Anwalt durch das Gitter hindurch.
»Bei welchem Prozeß?«
»Gute Frage. Bei den ersten beiden.«
»Das brauchte ich nicht. Brazelton hatte gute Geschworene ausgewählt, alle weiß, gute, mitfühlende Leute, die Bescheid wußten. Ich war sicher, daß diese Leute mich nicht verurteilen würden. Deshalb brauchte ich nicht auszusagen.«
»Und beim letzten Prozeß?«
»Das ist ein bißchen komplizierter. Keyes und ich haben oft genug darüber gesprochen. Anfangs dachte er, es könnte von Vorteil sein, wenn ich den
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