Die Kampagne
die Mail und löschte sie. Ja, was für ein Glück. Creel beschloss, sich einen neuen Vizepräsidenten zu suchen, um diesen Idiot zu ersetzen.
Der Kalte Krieg war wieder da, und er war besser denn je. Mit einer Reihe geschickter Schachzüge und sorgfältiger Planung hatte Creel die Machtstruktur des Planeten wieder so verändert, wie sie sein sollte. Die degenerierten Loser im Nahen Osten hatten sofort versucht, die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. »Hey, wir sind auch noch da! Wir können auch schlechte Nachrichten produzieren!« Bomben explodierten in einer Moschee in Bagdad und auf einem Markt in Anbar. 80 Zivilisten und zwei GIs wurden dabei getötet. Die Antwort der Welt kam schnell und deutlich: »Belästigt uns nicht. Wir haben echte Probleme. Millionen könnten sterben.«
Ironischerweise hatte Creel die Welt zivilisierter gemacht, indem er sie wieder in einen »echten« Kriegsmodus versetzt hatte. Aber das war ja auch von Anfang an sein Plan gewesen.
Nicht ein Schuss ist abgefeuert worden.
Und das Geld fließt.
Und die gewissenlosen Wilden sind in die Schranken gewiesen.
Ein netter Trick. Vielen Dank auch.
Doch um Geld war es nie wirklich gegangen. Es ging um die Welt. Nicolas Creel hatte sie soeben gerettet.
Und trotzdem war da noch immer etwas verkehrt.
Creel stand auf malerischem italienischen Boden, vor sich die Schönheit der Mittelmeerküste. Die Mutter Oberin stand neben ihm, prachtvoll in ihrem lieblichen weißen Gewand. Sie strahlte, als sie sich die Baupläne für das neue Waisenhaus anschaute; es sollte jenes Gebäude ersetzen, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden war; damals hatte es eine große Zahl von Waisen gegeben.
Auf Italienisch sagte die Mutter Oberin: »Das ist wunderschön. Und Sie sind ein wunderbarer Mann, dass Sie das ermöglichen, Nicolas.«
»Bitte, Mutter Oberin. Es ist das Mindeste, was ich tun kann. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich spirituell genauso sehr davon profitieren werde wie die Kinder Ihres Heimes.«
Creel sprach fließend Italienisch. Er beherrschte mehrere Sprachen; er hatte sie einzig und allein deshalb gelernt, um sich geschäftliche Vorteile zu verschaffen. Tatsächlich hatte er einige seiner besten Geschäfte nur abgeschlossen, weil er »Bitte« und »Danke« in der Sprache seiner Geschäftspartner hatte sagen können.
Ja, das hier hätte eigentlich eine Zeit des großen Triumphs für Creel sein müssen; aber dem war nicht so, und das aus einem einzigen Grund.
Caesar war aus London eingetroffen und hatte zur Shiloh übergesetzt. Katie James war ihm entkommen. Stattdessen war einer von Caesars Männern von der Nadel getroffen worden. Und Shaw, der Mann mit den gleichen Augen wie Creel, war mittendrin gewesen. Er und Katie James waren nun irgendwo zusammen da draußen. Und was sie taten, wusste nur Gott allein.
Creels Quellen zufolge war Shaw wie der Teufel aus dem Gebäude der Phoenix Group gerannt und 20 Minuten später an Katie James' Unterschlupf gewesen. Das Schlimmste war jedoch, dass Creel nicht wusste warum.
Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit empfand einer der reichsten Männer der Welt so etwas wie echte Furcht. Dabei hielt Nicolas Creel sich durchaus nicht für unfehlbar. Er war klug genug, um zu wissen, dass er nicht alles wusste. Er konnte einen Plan jederzeit ändern und neue Informationen sofort zu seinem Vorteil nutzen. Ihm war klar, dass etwas, das in Stein gemeißelt war, einfach scheitern musste.
Und als er darüber nachdachte, umarmte ihn die Mutter Oberin, und ihre engelhaften Tränen tropften auf seinen Blazer. »Gott wird Sie dafür segnen«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Und vor allem war Nicolas Creel ein Mann, der sich auf jede erdenkliche Art absicherte.
»Mutter Oberin, dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten?«
»Bitte, und es soll getan werden, mein Sohn«, antwortete die alte Frau.
»Würden Sie für mich beten?«
Kapitel 70
S haw und Katie hatten sich in einem kleinen Reihenhaus nahe Richmond, außerhalb von London versteckt. Shaw hatte es bereits im Vorfeld als möglichen Unterschlupf angemietet. Am nächsten Abend kam ein Besucher, ein Italiener mit niederländischem Akzent. Es war der Mann, den Shaw in seinem Lieblingsrestaurant in Amsterdam getroffen hatte. Höflich grüßte er Katie und nickte Shaw dann zu, der ihn misstrauisch beäugte.
»Wie sind Sie hierhergekommen?«, fragte Shaw.
»Mit dem Zug«, antwortete der Mann. »Rein sicherheitstechnisch war das wohl
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