Die Kampagne
Papiere auf Annas Schreibtisch erregten ihre Aufmerksamkeit. Neugierig trat sie näher.
»Die Rote Gefahr«, las sie oben auf dem Ausdruck. Annas Schreibtisch war voll mit Arbeitsmaterial und ihren handgeschriebenen Notizen. Katie ließ den Blick über den Tisch schweifen und nahm so viel in sich auf, wie sie konnte: Namen, Daten, Orte, Webseiten. Sie hatte ein hervorragendes Kurzzeitgedächtnis. Sobald sie draußen war, würde sie alles notieren.
Dann erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Sie nahm das Foto vom Tisch. Shaw und Anna sahen sehr verliebt aus, wie sie da standen, die Arme umeinandergelegt. Im Hintergrund wachte der Arc de Triomphe über sie.
»Wenn du dich nicht mal in Paris verlieben kannst, seid ihr wirklich nicht füreinander bestimmt«, sagte sie leise zu sich selbst.
Sie schaute auf, als Anna zurückkehrte.
»Du analysierst also die ›Rote Gefahr‹, ja?«, fragte Anna und deutete auf den Schreibtisch.
»Ich bin bloß neugierig, so wie alle anderen.«
Im nächsten Moment sah Anna, was Katie in der Hand hielt. »Bitte, leg das wieder hin.«
Als Katie an Anna vorbeiging, drückte sie ihr das Foto in die Hand und sagte: »Erwarte nicht, dass diese Art Liebe noch einmal kommt. Die meisten Menschen erleben so etwas nie im Leben. Ich spreche aus Erfahrung.« Sie reichte Anna ihre Visitenkarte, auf deren Rückseite eine Adresse geschrieben stand. »Da wohne ich in London, falls du noch mal mit mir reden willst.«
Katie ließ Anna mit dem Foto zurück und stieg die Treppe hinunter.
Kapitel 33
S haw wartete in der Lounge der British Airways am Flughafen Frankfurt. Zusammen mit anderen Passagieren schaute er sich die Nachrichten an, die auf mehreren Fernsehern im Raum verteilt liefen. Auf einem Bildschirm waren wütende US-Senatoren zu sehen, die sich für Warnschüsse vor den Bug der Russen aussprachen. Russland, so verkündeten sie, entwickle sich immer mehr zu einem autokratischen Staat, der dem erbarmungslosen System von Papa Stalin keineswegs nachstehe.
Auf einem weiteren Bildschirm zeigte die BBC, dass das britische Parlament ähnliche Maßnahmen gegen die ehemalige Sowjetunion befürwortete. In einer anderen Sendung tat auch die deutsche Kanzlerin ihre Meinung kund: Auf der einen Seite mahnte sie zur Ruhe und warnte vor voreiligen Schlüssen, machte zugleich aber auch klar, dass die Russen zu verurteilen seien. Der französische Staatspräsident stieß in dasselbe Horn; allerdings war er derjenige, der seine Kollegen am nachdrücklichsten zur Ruhe aufrief.
Shaw interessierte sich nicht sonderlich für die großen aktuellen Fragen der internationalen Politik. Er hatte einen Entschluss gefasst. Er flog nach London, um Anna die Wahrheit darüber zu sagen, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente. Wenn sie ihn dann immer noch heiraten wollte - was er bezweifelte -, würde er schon irgendeine Möglichkeit finden. Er war ehrlich überrascht, dass er nach seinem Besuch bei ihren Eltern nichts von ihr gehört hatte. Er hatte angerufen und eine Nachricht hinterlassen, dass er auf dem Weg nach London sei,
doch Anna hatte nicht zurückgerufen. Shaw dachte gerade über mögliche Erklärungen dafür nach, als die Männer auf ihn zukamen. Sie mussten nicht erst ihre Dienstmarken hervorholen - Shaw erkannte sie auch so.
Franks Lakaien.
Ein paar Minuten später, tief in den Eingeweiden des Flughafens, betrat Shaw einen kleinen Raum, in dem Frank an einem Tisch saß. Ihm gegenüber hatte ein Mann Platz genommen, den Shaw nicht kannte. Insgesamt befanden sich vier Männer hier, allesamt in guter körperlicher Verfassung, vermutlich schwer bewaffnet.
»Ich habe den Job in Heidelberg erledigt«, sagte Shaw.
Frank nickte. »Ich weiß. Ein schöner, einfacher Job, genau wie der in Schottland. Wie war eigentlich der Ausflug nach Wisbach? Ist alles gut für dich gelaufen?«
Shaw war nicht allzu überrascht. Er wusste, dass Frank jede seiner Bewegungen verfolgen ließ. »Ja, es war alles wunderbar.«
Frank schaute zu den Männern, die an der Wand lehnten, und nickte. Sie rückten ein Stück vor und bildeten eine Mauer zwischen Frank und Shaw.
»Die Fischers sind wirklich nette Leute, nicht wahr?«, sagte Frank. »Mein Mann hat das Gespräch mit ihnen richtig genossen. Und ich habe es genossen, Anna kennen zu lernen, als ich sie in London besucht habe. Allerdings war ich ein bisschen überrascht, wie wenig sie von dir wusste. Aber jetzt ist sie auf dem Laufenden, bis in alle Einzelheiten.«
Gut eine
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