Die Kandidaten
ein paar andere hängen verstreut
in den Hauptstädten dieser Welt.«
»Darum reisen wir also nach Venedig?«
»Und nach Florenz, Mailand und Rom. Als ich sie verließ,
waren viele von ihnen nackt. Am meisten liebte ich an ihnen,
dass sie nicht altern. Sie bekommen nur hin und wieder kleine
Risse, wenn man sie zu viel Sonnenlicht aussetzt.«
»Glückliche Frauen«, meinte Su Ling. »Hast du auch eine
Favoritin?«
»Nein, ich bin ziemlich promisk. Aber wenn man mich
zwingen würde zu wählen, dann gäbe es eine Dame in Florenz,
die in einem kleinen Palast residiert, den ich anbete. Ich kann es
kaum erwarten, sie wiederzusehen.«
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»Ist sie zufällig noch Jungfrau?«, wollte Su Ling wissen.
»Du bist ganz schön schlau«, lobte Nat.
»Und heißt sie zufällig Maria?«
»Du hast mich ertappt. Obwohl es natürlich viele Marias in
Italien gibt.«
»Die Anbetung der Könige. Tintoretto.«
»Nein.«
»Bellini, Mutter und Kind?«
»Nein, die sind immer noch im Vatikan.«
Su Ling schwieg eine Weile, während die Stewardess sie
aufforderte, sich anzuschnallen. »Caravaggio?«
»Sehr gut. Ich habe sie im Palazzo Pitti in der Galerie im
dritten Stock an der rechten Wand zurückgelassen. Sie hat mir
versprochen, mir bis zu meiner Rückkehr treu zu sein.«
»Und dort wird sie auch bleiben, denn solch eine Geliebte
kostet dich mehr als vierhundert Dollar im Monat, und falls du
immer noch gedenkst, in die Politik einzusteigen, dann wirst du
dir nicht einmal den Rahmen leisten können.«
»Ich gehe erst in die Politik, wenn ich mir die gesamte Galerie
leisten kann«, versicherte Nat seiner Frau.
*
Annie verstand allmählich, warum die Briten jene
amerikanischen Touristen mit Verachtung straften, die es fertig
brachten, London, Oxford, Blenheim und Stratford in drei Tagen
abzuhaken. Sie erlebte mit, wie Busladungen voller Touristen in
das Royal Shakespeare Theatre in Stratford strömten, ihre Plätze
einnahmen, in der Pause verschwanden und gleich darauf von
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einer weiteren Busladung ihrer Landsleute ersetzt wurden.
Annie hätte das nie für möglich gehalten, wenn sie nicht nach
der Pause an ihren Platz zurückgekehrt wäre und in den beiden
Reihen vor ihr lauter Leute mit vertrautem Akzent gesessen
hätten, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie fragte sich, ob
jene, die dem zweiten Akt beiwohnten, jenen, die den ersten Akt
gesehen hatten, erzählten, was mit Rosencrantz und Güldenstern
passierte, oder ob die erste Busladung sich bereits auf der
Rückfahrt nach London befand.
Annie fühlte sich etwas weniger schuldig, nachdem sie zehn
Tage voller Muße in Schottland verbracht hatte. Sie genoss das
Festival in Edinburgh, wo sie zwischen Marlowe und Mozart,
zwischen Pinter und Orton wählen konnten. Der Höhepunkt der
Reise war jedoch für beide die lange Fahrt an der Küste entlang.
Die Landschaft war dermaßen atemberaubend, dass sie sich
keine schönere Gegend auf der ganzen Welt vorstellen konnten.
In Edinburgh versuchten sie, die Stammbäume der Gates und
der Davenports zu erforschen, aber sie bekamen nur eine große,
bunte Karte der beiden Clans und einen Kilt im scheußlichen
Davenport-Schottenkaro. Annie zweifelte, ob sie den
Schottenrock zu Hause in den Staaten jemals wieder tragen
würde.
Im Flugzeug von Edinburgh nach New York schlief Fletcher
sofort nach dem Abheben ein. Als er aufwachte, war die Sonne,
die er auf der einen Seite der Kabine hatte untergehen sehen, auf
der anderen noch nicht wieder aufgegangen. Beim Landeanflug
auf den John-F.-Kennedy-Flughafen – Annie konnte sich
einfach nicht daran gewöhnen, dass er nun nicht mehr Idlewild
hieß –, freute sich Annie auf ihr Wiedersehen mit Lucy,
während Fletcher besorgt an seinen ersten Arbeitstag bei
Alexander Dupont & Bell dachte.
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*
Als Nat und Su Ling aus Rom zurückkehrten, waren sie
erschöpft, aber ihre Planänderung hätte nicht erfolgreicher
ausfallen können. Su Ling hatte sich von Tag zu Tag mehr
entspannt; schon in der zweiten Woche erwähnte keiner von
beiden mehr Korea. Auf dem Rückflug kamen sie überein, Su
Lings Mutter zu erzählen, sie hätten die Flitterwochen in Italien
verbracht. Nur Tom würde sich darüber wundern.
Während Su Ling schlief, studierte Nat erneut den
Devisenmarkt in der International Herald Tribune und in der
Londoner Ausgabe der Financial Times. Der Trend war
ungebrochen, ein kleiner Kurseinbruch, eine leichte
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