Die Kandidaten
Sofa mit Kathy, nehme ich an«, meinte Nat
schmunzelnd.
»Nein, Kathy ist heute Nachmittag nach Hause gefahren. Ihre
Schwester hat Geburtstag«, klärte Su Ling ihn auf. »Luke hätte
mitfahren können, aber er nimmt seine Rolle als dein
jugendlicher Berater sehr ernst.«
Tom kam in die Garderobe gelaufen und zeigte Nat die
neuesten Umfragezahlen. Nat lag mit sechs Prozent in Führung.
»Ich denke, jetzt kann dich nur noch Fletcher Davenport daran
hindern, Gouverneur zu werden.«
»Ich bin erst überzeugt, wenn das endgültige Wahlergebnis
bekannt gegeben wird«, erklärte Su Ling. »Vergesst nicht den
Trick, den Elliot mit den Wahlurnen durchgezogen hat,
nachdem alle glaubten, die Auszählung sei gelaufen.«
»Er hat bereits jeden faulen Trick ausprobiert, den er auf Lager
hatte, und ist mit allen gescheitert«, entgegnete Tom.
»Ich wünschte, ich könnte mir da sicher sein«, meinte Nat
leise.
Beide Kandidaten wurden von dem kleinen Studiopublikum
mit Applaus begrüßt, als sie auf die Bühne traten. Die Sendung
hieß ›Das letzte Aufeinandertreffen‹. Die beiden Männer
schüttelten sich in der Mitte der Bühne die Hand, aber ihr Blick
blieb auf die Kameras gerichtet.
»Das ist eine Live-Sendung«, erklärte David Anscott dem
Publikum, »und wir gehen in etwa fünf Minuten auf Sendung.
Ich eröffne mit einigen Fragen und gebe dann an Sie weiter.
Wenn Sie einem der beiden Kandidaten eine Frage stellen
möchten, machen Sie es kurz und bündig – bitte keine Reden.«
Nat lächelte, als er ins Publikum blickte, bis er den Mann
erblickte, der die Cedar-Wood-Fragen gestellt hatte. Er saß in
der zweiten Reihe. Nat spürte, wie seine Hände in Schweiß
ausbrachen, aber selbst, wenn der Mann aufgerufen würde, war
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Nat zuversichtlich, ihm Paroli bieten zu können. Diesmal war er
gut vorbereitet.
Die Bogenlichter wurden eingeschaltet, der Vorspann lief ab
und David Anscott eröffnete mit eingeknipstem Lächeln die
Sendung. Nachdem er die Teilnehmer vorgestellt hatte, hielten
beide Kandidaten eine einminütige Eröffnungserklärung – und
sechzig Sekunden können im Fernsehen eine sehr lange Zeit
sein. Doch nach so vielen Durchläufen hätten sie eine solche
Ansprache im Schlaf halten können.
Anscott begann mit einigen Aufwärmfragen, die für ihn
geschrieben worden waren. Sobald die Kandidaten darauf
geantwortet hatten, machte er keinen Versuch, auf ihre
Antworten einzugehen, sondern las einfach die nächste Frage
ab, die auf dem Teleprompter vor ihm erschien. Nachdem der
Moderator ans Ende seiner vorbereiteten Fragen gekommen
war, wandte er sich rasch ans Publikum.
Die erste Frage verwandelte sich in eine Rede über die
Abtreibung, was Nat gefiel, denn er sah, wie die Sekunden
verrannen. Er wusste, Elliot hatte zu diesem Thema keine
Meinung, da er weder die Frauenbewegung noch seine Freunde
in der römisch-katholischen Kirche verprellen wollte. Nat stellte
klar, dass er uneingeschränkt das Recht der Frau auf
Selbstbestimmung vertrat. Wie er vermutet hatte, wich Elliot
einer klaren Antwort aus. Anscott rief die zweite Frage auf.
*
Fletcher, der zu Hause zusah, machte sich zu allem, was Nat
Cartwright sagte, Notizen. Er verstand eindeutig das Prinzip, das
dem Bildungsgesetz zugrunde lag, und wichtiger noch, er schien
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die Veränderungen, die Fletcher herbeiführen wollte,
offensichtlich für vernünftig zu halten.
»Er ist ziemlich klug«, sagte Annie.
»Und schnuckelig«, ergänzte Lucy.
»Ist hier jemand auf meiner Seite?«, wollte Fletcher wissen.
»Ja. Ich finde ihn nicht schnuckelig«, erklärte Jimmy. »Aber
offenbar hat er viel über deinen Gesetzesentwurf nachgedacht
und hält ihn für ein wichtiges Wahlkampfthema.«
»Ob er schnuckelig ist, kann ich nicht sagen«, warf Annie ein,
»aber ist dir aufgefallen, dass er aus bestimmten Winkeln ein
wenig wie du aussieht, Fletcher?«
»Ach nein«, widersprach Lucy, »er sieht viel besser aus als
Dad.«
*
Die dritte Frage drehte sich um die Schusswaffenkontrolle.
Ralph Elliot erklärte, dass er hinter der Waffenlobby stehe und
für das Recht jedes Amerikaners eintreten werde, sich zu
verteidigen. Nat erklärte, warum er eine schärfere
Waffenkontrolle begrüßen würde, damit sich Vorfälle wie der,
den sein Sohn in der Elementary School erlebt hatte, nie
wiederholen würden.
Annie und Lucy applaudierten, ebenso das Studiopublikum.
»Will ihn denn keiner daran erinnern,
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