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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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der Polizeichef machte sich nicht einmal die Mühe, zu Bett
    zu gehen. Don Culver hatte einhundert Streifenbeamte vor das
    Gerichtsgebäude abgeordnet und er dachte reumütig daran, wie
    viele von Hartfords Kleinkriminellen sich diese Bündelung der
    Kräfte an einem Ort zunutze machen würden.
    Fletcher war das erste Mitglied der Verteidigung, das auf den
    Stufen zum Gericht erschien, und er machte der wartenden
    Presse klar, dass er bis zur Urteilsverkündung kein Statement
    abgeben und auch keine Fragen beantworten würde. Nat traf
    einige Minuten später in Begleitung von Tom und Su Ling ein
    und wenn die Polizei nicht gewesen wäre, hätten sie es sicher
    nie ins Gebäude geschafft.
    Sobald Nat im Gericht war, ging er den Marmorgang entlang,
    der zu Gerichtssaal Nummer sieben führte. Er bemerkte die
    freundlichen Rufe des Publikums, nickte aber nur höflich, wie es
    sein Anwalt geraten hatte. Sobald Nat den Gerichtssaal betreten
    hatte, spürte er, wie sich tausend Augen in ihn bohrten, während
    er den Mittelgang entlangschritt und sich auf der linken Seite
    neben Fletcher an den Tisch der Verteidigung setzte.
    »Guten Morgen, Herr Anwalt«, sagte Nat.

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    »Guten Morgen, Nat«, erwiderte Fletcher und sah von einem
    Stapel Papiere auf. »Ich hoffe, Sie sind auf eine Woche der
    Langeweile vorbereitet, in der wir die Geschworenen
    auswählen.«
    »Haben Sie ein Profil des idealen Geschworenen erstellt?«,
    fragte Nat.
    »So einfach ist das nicht«, entgegnete Fletcher, »ich kann
    mich nicht entscheiden, ob ich Leute auswählen soll, die für Sie
    oder für mich stimmen würden.«
    »Gibt es denn zwölf Leute in Hartford, die für Sie stimmen
    würden?«, spottete Nat.
    Fletcher lächelte. »Ich bin froh, dass Sie Ihren Humor nicht
    verloren haben, aber sobald die Geschworenen vereidigt worden
    sind, möchte ich, dass Sie ernst und betroffen wirken. Wie ein
    Mann, dem man eine große Ungerechtigkeit zugefügt hat.«
    Fletcher sollte Recht behalten, denn erst am Freitagnachmittag
    saßen die zwölf Geschworenen und zwei Ersatzgeschworenen
    endlich an ihren Plätzen, nach vielen Argumenten,
    Gegenargumenten und mehreren Einwänden von beiden Seiten.
    Schließlich einigte man sich auf sieben Männer und fünf Frauen.
    Zwei der Frauen und ein Mann waren schwarz, fünf hatten einen
    professionellen Background, zwei waren berufstätige Mütter,
    drei waren Fließbandarbeiter, dann noch eine Sekretärin und ein
    Arbeitsloser.
    »Was ist mit ihren politischen Einstellungen?«, fragte Nat.
    »Ich wette, vier sind Republikaner und vier sind Demokraten.
    Die restlichen vier kann ich nicht einschätzen.«
    »Was ist unser nächstes Problem, Herr Anwalt?«
    »Wie wir Sie freikriegen und ich mir dennoch die Stimmen der
    vier sichern kann, die ich nicht einzuschätzen vermag«, scherzte
    Fletcher, als sie sich an der untersten Stufe vor dem
    Gerichtsgebäude trennten.

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    AM DARAUF FOLGENDEN MONTAG waren die
    Geschworenen vereidigt und Richter Kravats bat den
    Staatsanwalt, sein Eröffnungsplädoyer zu halten.
    Richard Ebden erhob sich langsam von seinem Platz Er war
    groß, elegant und grauhaarig und besaß den Ruf, Geschworene
    um den kleinen Finger wickeln zu können. Am ersten
    Verhandlungstag trug er grundsätzlich einen dunkelblauen
    Anzug. Das weiße Hemd und die blaue Krawatte vermittelten
    das Gefühl, ihm vertrauen zu können.
    Staatsanwalt Ebden war stolz auf seinen Verurteilungsrekord,
    was ein wenig ironisch anmutete, denn er war ein liebevoller
    Familienmensch, der regelmäßig in die Kirche ging und seine
    Bassstimme sogar im örtlichen Chor erklingen ließ. Er schob
    seinen Stuhl zurück und trat bedächtig auf die freie Fläche vor
    dem Richterpult, dann drehte er sich zu den Geschworenen.
    »Meine Damen und Herren Geschworene«, fing er an. »In all
    den Jahren, die ich nun schon als Anwalt arbeite, ist mir selten
    ein Mordfall untergekommen, der eindeutiger war.«
    Fletcher beugte sich zu Nat und flüsterte: »Keine Sorge, das ist
    der übliche Einstieg in sein Eröffnungsplädoyer – als Nächstes
    kommt doch trotz alledem. «
    »Doch trotz alledem muss ich Sie durch die Ereignisse des
    späten Abends und frühen Morgens des 12. und 13. Februar
    führen.«
    »Mr Cartwright«, sagte er und drehte sich zum Angeklagten,
    »trat in einer Fernsehsendung auf, zusammen mit Ralph Elliot,
    einem beliebten und angesehenen Mitglied unserer Gemeinde
    und, was vielleicht noch wichtiger ist, dem Favoriten im

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