Die Kandidaten
ins Vorstandszimmer.
Als Jimmy seinem wichtigsten Mandanten seinen engsten
Freund vorstellte, starrten sich beide Männer an, unsicher, wer
den ersten Schritt tun sollte.
»Sehr freundlich von Ihnen zu …«
»Ich hatte nicht erwartet …«
Beide lachten und schüttelten einander dann herzlich die
Hand.
Tom schlug vor, dass Fletcher und Jimmy auf der einen Seite
des Konferenztisches sitzen sollten, er und Nat auf der anderen.
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Fletcher nickte zustimmend und sobald er saß, öffnete er seinen
Aktenkoffer, entnahm einen Notizblock, legte ihn vor sich auf
den Tisch, zusammen mit einem Füllfederhalter, den er aus
seiner Jacketttasche zog.
»Darf ich zuerst sagen, wie sehr ich es zu schätzen weiß, dass
Sie sich mit mir treffen«, erklärte Nat. »Ich kann mir nur zu gut
vorstellen, welchen Widerstand Sie von allen Seiten zu spüren
bekommen, und es ist mir bewusst, dass Sie sich keineswegs für
den leichten Weg entschieden haben.«
Jimmy senkte den Kopf.
Fletcher hob die Hand. »Sie müssen meiner Frau danken.
Nicht mir.« Er hielt kurz inne. »Aber mich müssen Sie
überzeugen.«
»Dann leiten Sie meinen Dank bitte an Mrs Davenport weiter
und lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich Ihnen alle Fragen
beantworten werde, die Sie an mich haben.«
»Ich habe nur eine einzige Frage«, sagte Fletcher und starrte
auf den leeren Notizblock. »Haben Sie Ralph Elliot ermordet?«
»Nein, das habe ich nicht«, erklärte Nat ohne zu zögern.
Fletcher sah wieder auf den leeren Notizblock und schlug das
oberste Blatt zurück. Auf dem zweiten Blatt stand Frage um
Frage, sauber aufgelistet in mehreren Reihen.
»Okay, dann zum nächsten Punkt …«, sagte Fletcher und sah
seinen Mandanten an.
*
Der Prozessbeginn wurde für die zweite Juliwoche angesetzt.
Nat war überrascht, wie wenig Zeit er mit seinem neuen
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Rechtsanwalt verbringen musste, sobald er seine Geschichte
mehrmals erzählt hatte und Fletcher sicher war, dass er jetzt
jedes Detail kannte. Obwohl beiden die entscheidende
Bedeutung von Nats Aussage klar war, verbrachte Fletcher
ebenso viel Zeit mit der Lektüre der Aussagen, die Rebecca
Elliot gegenüber der Polizei gemacht hatte, mit Don Culvers
Bericht darüber, was sich in jener Nacht abgespielt hatte, und
mit den Notizen von Detective Petrowski, der die Ermittlungen
leitete. Er warnte Nat: »Rebecca wird vom Staatsanwalt
instruiert und auf jede Frage, die man sich nur denken kann,
wird sie eine Antwort parat haben. Wenn sie in den Zeugenstand
tritt, wird sie alles so gut einstudiert haben wie eine
Schauspielerin in der Premierennacht.«
Fletcher schwieg. »Aber sie hat trotzdem ein Problem.«
»Und das wäre?«, fragte Nat.
»Wenn Mrs Elliot ihren Mann umgebracht hat, dann hat sie
die Polizei angelogen. Folglich muss es lose Enden geben,
denen sich die Anklage nicht bewusst ist. Wir müssen diese
losen Enden als Erste finden und dann miteinander verknüpfen.«
Das Interesse am Gouverneurswahlkampf reichte weit über die
Grenzen von Connecticut hinaus. Artikel über die beiden
Männer erschienen in so unterschiedlichen Zeitschriften wie
dem New Yorker und dem National Enquirer und zu
Prozessbeginn gab es im Umkreis von zwanzig Meilen um
Hartford kein einziges freies Hotelbett mehr.
Es waren noch drei Monate bis zur Wahl und die Umfragen
zeigten, dass Fletcher mit zwölf Punkten in Führung lag, aber er
wusste, wenn er Nats Unschuld beweisen konnte, würde sich das
über Nacht ändern.
Der erste Verhandlungstag war der 11. Juli, aber die großen
Fernsehsender hatten ihre Kameras bereits vorher auf den
Gebäuden gegenüber dem Gericht und auf den Bürgersteigen
aufgebaut und zusätzlich mehrere Kameramänner in den Straßen
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verteilt. Sie sollten jeden interviewen, der auch nur entfernt mit
der Verhandlung zu tun hatte.
Fletcher und Nat versuchten, ihren Wahlkampf so zu führen,
als wäre alles wie immer, obwohl keiner so tat, als sei dem
wirklich
so.
Als
sie
beide
gemeinsam
an
einer
Wohltätigkeitsveranstaltung für den neuen orthopädischen
Flügel des Gates Memorial Hospital in Hartford teilnahmen,
wurden die Eintrittskarten für fünfhundert Dollar pro Stück auf
dem Schwarzmarkt gehandelt. Es war einer der seltenen
Wahlkämpfe, bei dem die Spendengelder nur so hereinströmten.
Mehrere Wochen lang waren sie eine größere Attraktion als
Frank Sinatra.
Keiner der beiden schlief in der Nacht vor der Verhandlung
und
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