Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
Vom Netzwerk:
würde.
    Als der Bürgermeister seine Ausführungen beendet hatte,
    bemühte er sich tapfer, in die Mitte des Saales zurückzukehren,
    aber das wäre ihm sicher niemals gelungen, wenn die
    Auszählung auch ohne seine Erlaubnis hätte anfangen dürfen.
    Als er endlich an den Auszählungstisch gelangte, reichte ihm
    der Verwaltungschef eine Schere. Holbourn schnitt die Siegel
    der
    einundzwanzig
    Kästen
    auf,
    als
    ob
    er
    eine
    Eröffnungszeremonie leitete. Danach leerten die Stimmenzähler
    die Kästen und häuften die Stimmzettel auf den überlangen
    Tisch in der Mitte. Anschließend prüfte der Bürgermeister
    sorgfältig das Innere der Wahlurnen – zuerst drehte er jeden
    einzelnen Kasten um, dann schüttelte er ihn wie ein
    Zauberkünstler, der beweisen will, dass sich nichts mehr darin
    befindet. Beide Kandidaten wurden aufgefordert, die Urnen
    selbst noch einmal zu überprüfen.

    652
    Tom und Jimmy hielten ihren Blick auf die Mitte des Tisches
    gerichtet, während die Wahlhelfer die Stimmzettel unter den
    Stimmenzählern aufteilten, wie ein Croupier die Chips auf
    einem Roulettetisch verteilt. Sie zählten jeweils zehn
    Stimmzettel ab und bündelten dann einhundert Stimmzettel mit
    einem Gummiband. Diese einfache Übung dauerte fast eine
    Stunde und mittlerweile waren dem Bürgermeister die
    Informationsbrocken ausgegangen, die er denen, die ihm noch
    zuhörten, über Madison erzählen konnte. Die Stapel wurden zu
    guter Letzt vom Verwaltungschef gezählt, der bestätigte, dass es
    neunundfünfzig seien und sich in einem davon weniger als
    einhundert Stimmzettel befanden.
    Früher war der Bürgermeister an dieser Stelle immer auf die
    Bühne zurückgekehrt, aber der Verwaltungschef hielt es für
    einfacher, wenn man das Mikrofon zu ihm brachte. Paul
    Holbourn war mit dieser Neuerung einverstanden und es wäre
    auch eine weise Entscheidung gewesen, hätte das Kabel bis zur
    Absperrung
    gereicht.
    Doch
    wenigstens
    musste
    der
    Bürgermeister nun eine beträchtlich kürzere Wegstrecke
    zurücklegen, bevor er sein Ultimatum verkünden konnte. Er
    blies in das Mikrofon und produzierte dabei ein Geräusch wie
    ein Zug, der in einen Tunnel fährt, weil er hoffte, sich dadurch
    Gehör zu verschaffen.
    »Meine Damen und Herren«, fing er an und sah auf das Blatt
    Papier, das der Verwaltungschef ihm in die Hand gedrückt hatte.
    »5 934 gute Bürger von Madison haben an dieser Wahl
    teilgenommen. Man hat mir gesagt, das seien 54 Prozent der
    Wählerschaft, ein Prozent mehr als die durchschnittliche
    Wahlbeteiligung in diesem Bundesstaat.«
    »Dieser zusätzliche Prozentpunkt könnte zu unserem Vorteil
    sein«, flüsterte Tom in Nats Ohr.
    »Zusätzliche
    Punkte
    gehen
    normalerweise
    an
    die
    Demokraten«, rief ihm Nat in Erinnerung.

    653
    »Nicht, wenn die Wähler im Schnitt 63 Jahre alt sind«,
    widersprach Tom.
    »Unsere nächste Aufgabe besteht nun darin, die Stimmen der
    beiden Parteien zu trennen, bevor wir mit der Auszählung
    beginnen können«, fuhr der Bürgermeister fort. Sobald auch
    diese Aufgabe vollendet war, begann die eigentliche
    Auszählung der Stimmen. Zehnerhaufen wuchsen zu
    Hunderterhaufen an und diese wurden in ordentliche kleine
    Reihen aufgestellt, wie Soldaten auf einem Exerzierplatz.
    Nat wäre gern im Saal herumgelaufen, um sich die
    Auszählung genau ansehen zu können, aber es war dermaßen
    voll, dass er sich mit den regelmäßigen Berichten zufrieden
    geben musste, die ihm seine Repräsentanten von der Front
    zukommen ließen. Tom beschloss, sich durch die
    Menschenmassen zu kämpfen und fand heraus, dass es zwar so
    aussah, als ob Nat in Führung lag, er aber nicht sicher sein
    konnte, ob es ausreichte, die 118 Stimmen aufzuholen, mit
    denen Fletcher nach der nächtlichen Auszählung in Führung lag.
    Es dauerte eine weitere Stunde, bevor die Auszählung
    abgeschlossen war. Der Bürgermeister forderte beide
    Kandidaten auf, sich zu ihm in den abgesperrten Bereich in der
    Mitte des Saales zu begeben. Dort erklärte er ihnen, dass
    sechzehn Stimmzettel von seinen Wahlhelfern zurückgewiesen
    worden waren und er wolle sie beide befragen, bevor er
    beschließen würde, welche dieser Zettel für gültig erklärt
    werden sollten.
    Niemand konnte dem Bürgermeister vorwerfen, er würde nicht
    an eine volksnahe Regierung glauben, denn alle sechzehn
    Stimmzettel lagen für jedermann sichtbar mitten auf dem Tisch.
    Auf acht Stimmzetteln schien überhaupt nichts angekreuzt zu
    sein und beide

Weitere Kostenlose Bücher