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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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die
    in der Ecke ein Nickerchen machte. Sie störte die junge Frau
    nicht, da es wahrscheinlich der einzige Augenblick während
    ihrer achtstündigen Schicht war, in dem sie sich einen Moment
    ausruhen konnte.
    Auf Zehenspitzen schlich Miss Nichol durch die beiden
    Reihen an Wiegen, blieb nur kurz stehen, um auf die Zwillinge
    in der Doppelwiege zu schauen, die neben Fletcher Andrew
    Davenport lagen.
    Dann sah sie auf das Kind hinunter, das den Rest seines
    Lebens jeden Wunsch erfüllt bekommen würde. Doch als sie
    sich über den kleinen Jungen beugte, erstarrte sie. Nach
    eintausend Geburten ist man qualifiziert genug, um den Tod zu
    erkennen. Die Blässe der Haut und die Reglosigkeit der Augen
    machten es nicht mehr nötig, nach dem Puls zu fühlen.
    Entscheidungen, die im Bruchteil einer Sekunde gefällt
    werden – und manchmal zudem noch von anderen, nicht von
    uns selbst –, können oft den Verlauf unseres ganzen Lebens
    verändern.

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3
    ALS DR. GREENWOOD mitten in der Nacht geweckt wurde
    und man ihm mitteilte, dass einer seiner neuen Schützlinge
    gestorben war, wusste er genau, um welches Neugeborene es
    sich handelte. Ihm war auch klar, dass er umgehend ins
    Krankenhaus musste.
    Kenneth Greenwood hatte immer schon Arzt werden wollen.
    Bereits nach wenigen Wochen an der medizinischen Fakultät
    war ihm auch klar gewesen, auf welches Fachgebiet er sich
    spezialisieren würde. Er dankte Gott jeden Tag, dass er ihm
    erlaubte, seiner Berufung zu folgen. Doch von Zeit zu Zeit
    musste er einer Mutter eröffnen, dass sie ihr Kind verloren hatte,
    als ob der Allmächtige es irgendwie vonnöten fand, für einen
    Ausgleich zu sorgen. Es war niemals einfach, aber es Ruth
    Davenport nunmehr zum dritten Mal sagen zu müssen …
    Um fünf Uhr morgens waren so wenig Autos unterwegs, dass
    Dr. Greenwood schon nach zwanzig Minuten auf den für ihn
    reservierten Krankenhausparkplatz bog. Er stieß die
    Schwingtüren auf, schritt an der Anmeldetheke vorbei und trat
    in den Aufzug, noch bevor ihn einer seiner Mitarbeiter
    ansprechen konnte.
    »Wer soll es ihr sagen?«, fragte die Schwester, die im fünften
    Stock schon auf ihn wartete, als sich die Türen des Aufzugs
    öffneten.
    »Das werde ich selbst erledigen«, sagte Dr. Greenwood. »Ich
    bin mit der Familie seit Jahren befreundet.«
    Die Schwester wirkte überrascht. »Vermutlich müssen wir
    dankbar sein, dass das zweite Baby überlebt hat«, unterbrach sie
    seinen Gedankengang.
    Dr. Greenwood blieb abrupt stehen. »Das zweite Baby?«

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    »Aber ja, Nathaniel geht es prächtig. Nur Peter ist gestorben.«
    Dr. Greenwood schwieg einen Augenblick und versuchte,
    diese Information zu verdauen. »Was ist mit dem Jungen der
    Davenports?«, erkundigte er sich.
    »Dem geht es gut, soweit ich weiß«, erwiderte die Schwester.
    »Warum fragen Sie?«
    »Ich habe ihn zur Welt gebracht, bevor ich nach Hause fuhr.«
    Hoffentlich bemerkte die Schwester das Zögern in seiner
    Stimme nicht.
    Dr. Greenwood schritt langsam durch die Reihen an
    Kinderbettchen, vorbei an Neugeborenen, die tief und fest
    schliefen, und anderen, die brüllten, als ob sie beweisen wollten,
    dass sie über Lungen verfügten. An der Doppelkrippe, in der er
    vor wenigen Stunden die Zwillinge verlassen hatte, blieb er
    stehen. Nathaniel schlief friedlich, während sein Bruder reglos
    in der Wiege lag. Dr. Greenwood sah zur Namenstafel des
    nebenstehenden Kinderbetts, um sich zu vergewissern:
    DAVENPORT, FLETCHER ANDREW. Der kleine Junge
    atmete regelmäßig; er schlief fest.
    »Natürlich konnte ich das Kind nicht wegbringen, bevor nicht
    der Arzt, der bei der Geburt zugegen war …«
    »Sie müssen mich nicht an das Krankenhausprozedere
    erinnern«, fuhr Dr. Greenwood sie ungewohnt barsch an. »Wann
    hat Ihr Dienst begonnen?«, erkundigte er sich.
    »Kurz nach Mitternacht.«
    »Und seitdem sind Sie hier?«
    »Ja, Sir.«
    »Hat in dieser Zeit noch jemand die Säuglingsstation
    betreten?«
    »Nein, Herr Doktor«, erwiderte die Schwester. Sie beschloss,
    nicht zu erwähnen, dass sie vor ungefähr einer Stunde zu hören
    geglaubt hatte, wie sich eine Tür schloss. Wenigstens nicht,

    21
    solange er so schlecht gelaunt war. Dr. Greenwood starrte auf
    die beiden Kinderbettchen mit der Aufschrift CARTWRIGHT,
    NATHANIEL UND PETER. Er wusste, was die Pflicht ihm
    gebot.
    »Bringen Sie das Baby in die Leichenkammer«, erklärte er mit
    ruhiger Stimme. »Ich schreibe sofort einen Bericht, aber ich
    werde die Mutter

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