Die Kandidaten
ging weiter auf das Privatzimmer zu, den Blick
fest auf die Feuertreppe am anderen Ende des Flurs gerichtet.
Nachdem sie Mrs Davenports Tür passiert hatte, versuchte sie,
ihr Tempo nicht zu erhöhen. Sie hatte nur noch wenige Meter
vor sich, als sie eine Stimme hörte, die sie sofort erkannte.
»Miss Nichol?«
Sie erstarrte, den Blick immer noch auf die Feuertreppe
gerichtet, und ging ihre Optionen durch. Dann drehte sie sich zu
Mr Davenport um.
»Ich glaube, wir sollten uns unter vier Augen unterhalten.« Mr
Davenport trat in eine Nische auf der anderen Seite des Flures in
der Annahme, dass sie ihm folgen würde. Miss Nichol fürchtete,
ihre Beine würden ihr den Dienst versagen, lange bevor sie ihm
gegenüber auf einen Stuhl sank. Sie konnte aus dem Ausdruck
auf seinem Gesicht nicht erkennen, ob ihm klar war, dass sie die
Schuldige war. Aber in Mr Davenports Gesichtszügen konnte
man ja nie lesen. Es lag nicht in seinem Wesen, etwas zu
verraten, und das vermochte er auch in seinem Privatleben nicht
zu ändern. Miss Nichol konnte ihm nicht in die Augen sehen,
also starrte sie über seine linke Schulter und beobachtete
Dr. Greenwood, hinter dem sich in diesem Moment die
Aufzugstüren schlossen.
»Vermutlich wissen Sie, was ich Sie fragen will«, sagte Mr
Davenport.
»Ja, das tue ich«, gab Miss Nichol zu und fragte sich, ob sie
jemals wieder eine Anstellung finden würde und ob sie
vielleicht gar im Gefängnis landete.
Als Dr. Greenwood zehn Minuten später wieder auftauchte,
wusste Miss Nichol genau, was mit ihr geschehen würde, wohin
es sie verschlagen würde.
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»Wenn Sie darüber nachgedacht haben, Miss Nichol, dann
rufen Sie mich doch in meinem Büro an. Falls Ihre Antwort Ja
lautet, muss ich mit meinen Anwälten reden.«
»Ich habe bereits darüber nachgedacht«, erwiderte Miss
Nichol. Diesmal sah sie Mr Davenport direkt in die Augen. »Die
Antwort lautet Ja. Ich wäre entzückt, wenn ich für Ihre Familie
als Kindermädchen arbeiten dürfte.«
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SUSAN HIELT NAT IM ARM. Sie konnte ihren Kummer
einfach nicht verdrängen. Und sie war es leid, dass all ihre
Freunde und Verwandten ihr rieten, Gott dankbar zu sein, dass
wenigstens ein Kind überlebt hatte. Konnten sie denn nicht
verstehen, dass Peter tot war und sie einen Sohn verloren hatte?
Michael hoffte, seine Frau würde den Verlust überwinden,
sobald sie das Krankenhaus verlassen hatte und nach Hause
zurückgekehrt war. Aber so kam es nicht. Susan sprach
unaufhörlich von ihrem anderen Sohn und bewahrte ein Foto
von den beiden Jungen neben dem Bett auf.
Miss Nichol besah sich das Foto sehr genau, als es im
Hartford Courant veröffentlicht wurde. Sie stellte zu ihrer
Erleichterung fest, dass zwar beide Jungs den eckigen
Unterkiefer ihres Vaters geerbt hatten, aber Andrews Haar war
lockig und blond, während Nats Haare glatt waren und sich
schon dunkel färbten. Josiah Preston rettete die Situation, indem
er ständig anmerkte, sein Enkel habe in der großen Tradition der
Prestons seine Nase und seine ausgeprägte Stirn geerbt. Miss
Nichol wiederholte diese Bemerkung unablässig vor
kriecherischen Verwandten und schmeichlerischen Angestellten,
eingeleitet von den Worten: »Wie Mr Preston stets zu sagen
pflegt …«
Schon zwei Wochen nach ihrer Rückkehr übte Ruth Davenport
wieder ihr Amt als Vorsitzende der Krankenhausstiftung aus
und machte sich sofort daran, das Versprechen ihres Ehemannes
einzulösen und eine neue Entbindungsstation für St Patrick zu
bauen.
In der Zwischenzeit nahm Miss Nichol jede Arbeit an, wie
niedrig auch immer, solange es nur Ruth erlaubte, ihren
Aktivitäten außerhalb des Hauses nachzugehen, während sie
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sich um Andrew kümmerte. Miss Nichol wurde die
Kinderschwester des Jungen, seine Ratgeberin, Wächterin und
Gouvernante. Doch kein Tag verging, an dem sie nicht
fürchtete, dass die Wahrheit schlussendlich ans Licht kommen
könnte.
Richtig mit der Angst bekam es Miss Nichol zum ersten Mal
zu tun, als Mrs Cartwright anrief und ihr mitteilte, dass sie eine
Geburtstagsfeier für ihren Sohn ausrichtete und ob Andrew nicht
daran teilnehmen wolle, wo er doch am selben Tag auf die Welt
gekommen sei.
»Wie freundlich von Ihnen«, erwiderte Miss Nichol, ohne mit
der Wimper zu zucken, »aber Andrew feiert seine eigene
Geburtstagsparty und ich bedauere sehr, dass Nat nicht zu uns
kommen kann.«
»Nun, richten Sie Mrs Davenport bitte meine
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