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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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Phoenix
    oder Pittsburgh begnügt, wäre da nicht Joanna gewesen. Annie
    und Fletcher einigten sich über die Städte, in denen sie gern
    leben würden, dann stellten sie fest, welches die führenden
    Kanzleien in den betreffenden Bundesstaaten waren.
    Gemeinsam entwarfen sie ein Schreiben, das sie vierundfünfzig
    Mal kopierten und am ersten Semestertag verschickten.
    Als Fletcher im Laufe des Morgens ans College zurückkehrte,
    fand er ein Schreiben in seinem Brieffach.
    »Das ging aber schnell«, scherzte Annie. »Wir haben die
    Briefe doch erst vor einer Stunde abgeschickt.«
    Fletcher lachte, bis er den Poststempel auf dem Brief sah. Er

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    riss ihn auf. Der schlichte, schwarze Briefkopf lautete Alexander
    Dupont & Bell. Natürlich begann die distinguierte New Yorker
    Kanzlei die Kandidatenauswahl erst im März, warum sollten sie
    für Fletcher Davenport eine Ausnahme machen?
    Fletcher arbeitete ununterbrochen während der langen
    Wintermonate vor seinem Bewerbungsgespräch, aber dennoch
    hatte er allen Grund zur Besorgnis, als er sich schließlich auf die
    Reise nach New York machte. Kaum war er in der Grand
    Central Station aus dem Zug gestiegen, fühlte sich Fletcher von
    dem Gewirr aus einhundert verschiedenen Sprachen förmlich
    berauscht und er merkte, dass er zügiger ausschritt, als er es je in
    einer anderen Stadt getan hatte. Fletcher sah während der
    Taxifahrt zur 54th Street aus dem offenen Fenster, sog den
    Geruch ein, den keine andere Stadt produzierte.
    Der Taxifahrer hielt vor einem gläsernen Wolkenkratzer mit
    zweiundsiebzig Stockwerken und Fletcher wusste sofort, dass er
    nirgendwo anders arbeiten wollte. Er lungerte ein paar Minuten
    im Erdgeschoss herum, wollte nicht mit zahllosen anderen
    Kandidaten im Wartezimmer festsitzen. Als er schließlich im
    sechsunddreißigsten Stock ausstieg, machte die Empfangsdame
    einen Haken hinter seinem Namen. Sie reichte ihm ein Blatt
    Papier, das eine Abfolge von Gesprächen auflistete, die den Rest
    des Tages in Anspruch nehmen würden.
    Sein erstes Gespräch, das in Fletchers Augen gut verlief, hatte
    er mit dem Seniorpartner Bill Alexander, auch wenn dieser nicht
    dieselbe Herzlichkeit versprühte wie auf Karl Abrahams’ Party.
    Allerdings erkundigte sich Alexander nach Annie und verlieh
    seiner Hoffnung Ausdruck, dass sie sich von dem traurigen
    Verlust von Harry erholt hatte. Bei dieser Unterhaltung wurde
    auch klar, dass Fletcher nicht der Einzige war, mit dem ein
    Bewerbungsgespräch geführt wurde – auf der Liste vor Mr
    Alexander tauchten, auf dem Kopf stehend, sechs Namen auf.
    Anschließend verbrachte Fletcher eine Stunde mit drei
    weiteren Partnern, die sich auf sein Fachgebiet, das Strafrecht,

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    spezialisiert hatten. Nach dem letzten Interview wurde er
    eingeladen, sich dem Rest des Vorstands zum Mittagessen
    anzuschließen. Er kam zum ersten Mal in Kontakt mit den
    anderen fünf Bewerbern und die Tischgespräche ließen in ihm
    keine Zweifel aufkommen, mit wem er es zu tun hatte. Er fragte
    sich insgeheim, wie viele Tage die Kanzlei für Gespräche mit
    anderen Bewerbern noch reserviert hatte.
    Was er nicht wissen konnte, war, dass Alexander Dupont &
    Bell schon Monate, bevor einer der Kandidaten zum Gespräch
    eingeladen wurde, eine rigorose Aussiebung durchgeführt
    hatten. Fletcher hatte es in die Gruppe der letzten sechs
    geschafft, durch Empfehlung und durch seinen Ruf. Ihm war
    auch nicht klar, dass nur einem von ihnen, vielleicht zweien,
    eine Position in der Kanzlei angeboten würde. Wie bei gutem
    Wein gab es sogar Jahre, in denen keiner ausgewählt wurde,
    einfach weil die Auslese nicht erstklassig genug war.
    Am Nachmittag folgten weitere Gespräche. Mittlerweile war
    Fletcher davon überzeugt, dass er es nicht schaffen würde und er
    sich bald auf den langen Weg durch all jene Kanzleien würde
    machen müssen, die auf seinen Brief geantwortet und ihm ein
    Bewerbungsgespräch angeboten hatten.
    »Sie lassen mich bis Ende des Monats wissen, ob ich es in die
    nächste Runde geschafft habe«, erzählte er Annie, die ihn am
    Bahnhof abholte. »Versende ruhig weiter Briefe. Obwohl ich
    zugeben muss, dass ich eigentlich nirgendwo anders als in New
    York arbeiten will.«
    Annie stellte Fletcher auf dem Heimweg unzählige Fragen,
    wollte in allen Einzelheiten wissen, was er erlebt hatte. Sie war
    gerührt, dass Bill Alexander sich an sie erinnerte.
    »Vielleicht hättest du es ihm sagen sollen«, meinte Annie, als
    sie den

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