Die Kandidaten
Phoenix
oder Pittsburgh begnügt, wäre da nicht Joanna gewesen. Annie
und Fletcher einigten sich über die Städte, in denen sie gern
leben würden, dann stellten sie fest, welches die führenden
Kanzleien in den betreffenden Bundesstaaten waren.
Gemeinsam entwarfen sie ein Schreiben, das sie vierundfünfzig
Mal kopierten und am ersten Semestertag verschickten.
Als Fletcher im Laufe des Morgens ans College zurückkehrte,
fand er ein Schreiben in seinem Brieffach.
»Das ging aber schnell«, scherzte Annie. »Wir haben die
Briefe doch erst vor einer Stunde abgeschickt.«
Fletcher lachte, bis er den Poststempel auf dem Brief sah. Er
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riss ihn auf. Der schlichte, schwarze Briefkopf lautete Alexander
Dupont & Bell. Natürlich begann die distinguierte New Yorker
Kanzlei die Kandidatenauswahl erst im März, warum sollten sie
für Fletcher Davenport eine Ausnahme machen?
Fletcher arbeitete ununterbrochen während der langen
Wintermonate vor seinem Bewerbungsgespräch, aber dennoch
hatte er allen Grund zur Besorgnis, als er sich schließlich auf die
Reise nach New York machte. Kaum war er in der Grand
Central Station aus dem Zug gestiegen, fühlte sich Fletcher von
dem Gewirr aus einhundert verschiedenen Sprachen förmlich
berauscht und er merkte, dass er zügiger ausschritt, als er es je in
einer anderen Stadt getan hatte. Fletcher sah während der
Taxifahrt zur 54th Street aus dem offenen Fenster, sog den
Geruch ein, den keine andere Stadt produzierte.
Der Taxifahrer hielt vor einem gläsernen Wolkenkratzer mit
zweiundsiebzig Stockwerken und Fletcher wusste sofort, dass er
nirgendwo anders arbeiten wollte. Er lungerte ein paar Minuten
im Erdgeschoss herum, wollte nicht mit zahllosen anderen
Kandidaten im Wartezimmer festsitzen. Als er schließlich im
sechsunddreißigsten Stock ausstieg, machte die Empfangsdame
einen Haken hinter seinem Namen. Sie reichte ihm ein Blatt
Papier, das eine Abfolge von Gesprächen auflistete, die den Rest
des Tages in Anspruch nehmen würden.
Sein erstes Gespräch, das in Fletchers Augen gut verlief, hatte
er mit dem Seniorpartner Bill Alexander, auch wenn dieser nicht
dieselbe Herzlichkeit versprühte wie auf Karl Abrahams’ Party.
Allerdings erkundigte sich Alexander nach Annie und verlieh
seiner Hoffnung Ausdruck, dass sie sich von dem traurigen
Verlust von Harry erholt hatte. Bei dieser Unterhaltung wurde
auch klar, dass Fletcher nicht der Einzige war, mit dem ein
Bewerbungsgespräch geführt wurde – auf der Liste vor Mr
Alexander tauchten, auf dem Kopf stehend, sechs Namen auf.
Anschließend verbrachte Fletcher eine Stunde mit drei
weiteren Partnern, die sich auf sein Fachgebiet, das Strafrecht,
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spezialisiert hatten. Nach dem letzten Interview wurde er
eingeladen, sich dem Rest des Vorstands zum Mittagessen
anzuschließen. Er kam zum ersten Mal in Kontakt mit den
anderen fünf Bewerbern und die Tischgespräche ließen in ihm
keine Zweifel aufkommen, mit wem er es zu tun hatte. Er fragte
sich insgeheim, wie viele Tage die Kanzlei für Gespräche mit
anderen Bewerbern noch reserviert hatte.
Was er nicht wissen konnte, war, dass Alexander Dupont &
Bell schon Monate, bevor einer der Kandidaten zum Gespräch
eingeladen wurde, eine rigorose Aussiebung durchgeführt
hatten. Fletcher hatte es in die Gruppe der letzten sechs
geschafft, durch Empfehlung und durch seinen Ruf. Ihm war
auch nicht klar, dass nur einem von ihnen, vielleicht zweien,
eine Position in der Kanzlei angeboten würde. Wie bei gutem
Wein gab es sogar Jahre, in denen keiner ausgewählt wurde,
einfach weil die Auslese nicht erstklassig genug war.
Am Nachmittag folgten weitere Gespräche. Mittlerweile war
Fletcher davon überzeugt, dass er es nicht schaffen würde und er
sich bald auf den langen Weg durch all jene Kanzleien würde
machen müssen, die auf seinen Brief geantwortet und ihm ein
Bewerbungsgespräch angeboten hatten.
»Sie lassen mich bis Ende des Monats wissen, ob ich es in die
nächste Runde geschafft habe«, erzählte er Annie, die ihn am
Bahnhof abholte. »Versende ruhig weiter Briefe. Obwohl ich
zugeben muss, dass ich eigentlich nirgendwo anders als in New
York arbeiten will.«
Annie stellte Fletcher auf dem Heimweg unzählige Fragen,
wollte in allen Einzelheiten wissen, was er erlebt hatte. Sie war
gerührt, dass Bill Alexander sich an sie erinnerte.
»Vielleicht hättest du es ihm sagen sollen«, meinte Annie, als
sie den
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